GESELLSCHAFT

Auslandsjahr in Kapstadt? Warum nicht?

Ein Auslandsjahr machen, aber wo? – Amerika, Australien? – Südafrika! Natürlich, viele würden Amerika vorschlagen, vielleicht auch Australien oder Neuseeland, aber Südafrika? Ist das nicht im Busch? Und, ist es da nicht gefährlich? Wer schon einmal da war, weiß, dass es ganz und gar nicht so ist. Kapstadt ist sogar World Design Capital Cape Town 2014.


Maren Prüfer mit ihrer Gastschwester
Maren Prüfer mit ihrer Gastschwester

Vier Monate habe ich dort bei einer, wenn auch nicht ganz normalen Gastfamilie, ein ganz normales Leben geführt. Mit meinen vier Gastgeschwistern, meiner Gastmutter, unserem Hausmädchen Sophie und unseren zwischenzeitig 15 Hunden habe ich in Welkom im Freestate gelebt, habe viel erlebt und eine Menge Erfahrungen gesammelt.

Es gab keinen Tag, an dem ich mit meiner Gastfamilie alleine zu Hause war. Jeden Tag waren Freunde bei uns und wir haben gelacht, „Braais“ (Grillabende) veranstaltet, geredet oder einfach alles zusammen.

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Zur Schule musste ich natürlich auch, und die unterscheidet sich sehr von den Schulen in Deutschland.

Gelbes Hemd, schwarzer Rock, Krawatte – das bedeutet Schuluniform und die meisten Schüler beneideten mich, als ich ihnen erzählte, in Deutschland dürfe man zur Schule anziehen was man möchte.

An meiner Schule, „Gimnasium“, was übrigens nichts mit der deutschen Schulform des Gymnasiums zu tun hat, da man in Südafrika lediglich zwischen Privat- und staatlicher Schule unterscheidet, gab es ab der 8. Stufe jeweils einen Jahrgang mit vier Klassen, bei denen nach Afrikaans Muttersprachlern und Englisch Muttersprachlern aufgeteilt wird.

Jeden Morgen versammelten wir uns auf dem Schulhof oder in der riesigen Aula, in der unser Direktor Mr.Slabbert eine Rede hielt, wir beteten, Informationen über Veranstaltungen erhielten oder gemeinsam sangen.

Nachdem ich an meinem ersten Tag in einer der beiden Afrikaans-Klassen, in die auch mein Gastbruder ging, die Schule verließ, ohne ein einziges Wort verstanden zu haben, beschloss ich am nächsten Tag in den englischsprachigen Unterricht zu gehen.

Dort war ich größtenteils mit dunkelhäutigen Leuten zusammen, die wie ich relativ bald rausfand, eigentlich Sotho oder Zulu als Muttersprache hatten und in den englischen Unterricht gehen mussten, um überhaupt in die Schule gehen zu können.

Die Pausen verbrachte ich zu Anfang häufig mit einer großen Gruppe von Leuten, die sich aus weißen afrikaans und englisch sprachigen zusammenstellte, die mit den dunkelhäutigen Schülern kaum etwas zu tun hatten.

Als ich mich nach ein paar Wochen eingelebt hatte und anfing mich zu Hause zu fühlen, wollte ich auch am Sportprogramm, das jeden Tag nach der Schule stattfand, teilnehmen und entschied mich für Hockey, nachdem ich beim „Netball“ Training, welches ähnlich wie Basketball funktioniert, allerdings darf man den Ball weder dribbeln, noch darf man seine Füße bewegen, wenn man den Ball gefangen hat, merkte, dass ich mich wohl nicht an einer Sportart, die für mich eine Mischung aus Stopptanz und Basketball war, gewöhnen würde.

Schon beim ersten Training empfing mich das Hockey Team sehr herzlich und scheute sich nicht, mir hunderte von Fragen über Deutschland zu stellen.

Nach dem Hockey Training war es dann eigentlich Zeit für Hausaufgaben, doch meine Gastschwester Grietjie, in der ich von Anfang an eine beste Freundin fand, und ich hatten ganz andere Sachen im Kopf. Von Yoga machen bis shoppen gehen haben wir alles gemacht, nur keine Hausaufgaben. Bei unseren Ausflügen wurde oft die Herzlichkeit der Südafrikaner deutlich. Überall wurde ich freundlich empfangen und umarmt, von Leuten die ich in meinem Leben noch nie gesehen hatte. Schnell fand ich viele Freunde. Allerdings gibt es auch eine ganz andere Seite. Auch wenn ich keine Erfahrungen mit Kriminalität in Südafrika gemacht habe, erzählten mir besonders Freunde aus Kapstadt und Johannesburg von vielen Überfällen und Einbrüchen.

Besonders in den außerhalb der Städte liegenden „Townships“, in denen die ärmste Bevölkerung des Landes in selbstgebauten Hütten eng zusammenlebt, ist die Kriminalität sehr hoch.

2013 wurde Johannesburg als die 10. gefährlichste Stadt der Welt eingestuft. Fast jedes Haus ist von einer hohen Mauer oder einem Zaun umgeben, in den Großstädten stehen diese sogar häufig unter Strom. Das Haus meiner Gastfamilie in Welkom war zwar auch von einem hohen Zaun umgeben, das Tor war allerdings die meiste Zeit kaputt und dort gab es keine Probleme mit Einbrüchen. Tagsüber bin ich oft alleine joggen oder spazieren gegangen und habe eigentlich nie Probleme bekommen. Und auch nachts konnten wir fast problemlos auf die Straßen gehen. Als wir jedoch in den Ferien Familie, zu der ich mittlerweile auch gehörte, meiner Gastfamilie in der Nähe von Kapstadt besuchten, sah das schon ganz anders aus. Auf die Straße sollten wir nachts in Kapstadt nicht mehr, schon gar nicht alleine. In Stellenbosch, ein kleiner Vorort von Kapstadt, in der die Familie eigentlich lebt, war es wiederum kein Problem. Tagsüber erst recht nicht. Wir gingen an den Strand und surften, wanderten den Tafelberg hinauf, gingen an einen Strand, den sich Pinguine zu ihrem zu Hause gemacht haben, besuchten Märkte und die für Kapstadt berühmte Longstreet. Dort bemerkte ich deutliche Unterschiede zu den kleinen Städten, in denen ich mich bisher aufgehalten hatte. Besonders das Verhältnis zwischen weißer und dunkler Bevölkerung war ein ganz anderes.

Während hier kaum noch Folgen der erst 1994 abgeschafften Apartheid (Rassentrennung) zu sehen waren und weiße und schwarze Menschen zusammen waren, merkte ich zu Hause in Welkom oft, dass viele der weißen Leute die dunkelhäutigen herablassend behandelten und Witze über sie machten.

Das führt natürlich dazu, dass die Dunkelhäutigen eher unter sich blieben und außerhalb des Unterrichts in ihrer Muttersprache sprachen, wodurch das Englisch vieler schlecht und kaum verständlich war.

Das wiederum führte dazu, dass die Weißen noch mehr „Grund“ hatten, sich über ihre dunkelhäutigen Mitschüler lustig zu machen. Selbst bei den Verkehrsmitteln fiel auf, dass die meisten der Duneklhäutigen eine Art Taxi benutzten, von dem mir von Anfang an von meiner Organisation und auch noch einmal von meiner Gastfamilie verboten wurde es zu benutzen, da es nicht für Weiße bestimmt sei und es für diese auch zu gefährlich wäre.

Trotz Abschaffung der Arpartheid ist der Unterschied zwischen heller und dunkler Bevölkerung immer noch da, wenn auch nicht so extrem wie vor der Abschaffung, und die Schere zwischen arm und reich sehr groß.

Ich habe meinen Aufenthalt dort trotzdem sehr genossen und habe immer noch regen Kontakt zu meinen Freunden und meiner Gastfamilie. Südafrika ein wunderschönes Land, in dem es viel zu entdecken gibt und in dem man freundlich von allen Seiten empfangen wird. Es lohnt sich Mut zu haben und den Austausch zu wagen!

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(Maren Prüfer, Austausch- und Oberstufenschülerin)

 

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