Was die “Global Sumud Flotilla” bewegt
Am 31. August verabschiedeten hunderte Menschen in der spanischen Mittelmeermetropole Barcelona die Aktivisten der neusten Hilfsflotte nach Gaza. Im Hafen versammeln sich Unterstützerinnen und Unterstützer, um die Boote der Global Sumud Flotilla zu verabschieden. Fahnen und Transparente sind zu sehen, Menschen reichen sich die Hand oder rufen letzte Worte über das Wasser. An Deck bereiten sich die Aktivisten auf die Abfahrt vor. Der Moment des Ablegens markiert den Beginn einer Fahrt, die weit über eine gewöhnliche Seereise hinaus geht.
Als bislang größte ihrer Art versucht die Global Sumud Flotilla, die nach Angaben der Organisatoren „illegale Blockade“ des Gazastreifens zu durchbrechen und einen humanitären Korridor zu bilden. Außerdem will sie dadurch gegen den anhaltenden von einer UN-Kommission so bezeichneten „Genozid“ (vgl. UN-Menschenrechtsrat, Bericht vom 12.9.2025) in Gaza protestieren. Die Flotilla besteht aus mehr als 70 Booten, die laut Veranstalterangaben über 1000 Aktivisten aus 44 verschiedenen Ländern transportieren.
Der Name der Flotilla ist arabisch und bedeutet Standhaftigkeit. Sie verweist auf den Widerstandsgeist der Palästinensischen Bevölkerung, so die Organisatoren.

Warum ist eine Hilfsflotte nötig?
Der Hilfskonvoi will einerseits etwas humanitäre Hilfe nach Gaza bringen und andererseits die mediale Aufmerksamkeit für die Blockade zu schaffen.
Seit dem 7. Oktober steht Gaza unter enormem militärischen Druck durch Israel. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza sind bisher über 64.000 Palästinenser durch Israels Militär getötet worden. Ein neuer Bericht der vom Menschenrechtsrat eingesetzten Unabhängigen Internationalen Untersuchungskommission der Vereinten Nationen stellt fest, dass Israel Handlungen begehe, die nach Einschätzung der Kommission die Definition von Völkermord erfüllen (UN-Bericht, 12.9.2025).
Mit dem Beginn des Genozids wurde die Blockade über Gaza extrem verschärft. Am 8. Oktober 2023 kündigte Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant an, es werde „keinen Strom, keine Lebensmittel, keinen Treibstoff“ geben, da Israel „gegen Tiermenschen“ kämpfe (zitiert nach Haaretz, 9.10.2023).
Im März 2025 kündigte Israels Premierminister Benjamin Netanyahu den Stopp aller Hilfslieferungen nach Gaza an (Times of Israel, 14.3.2025). Damit begann, nach Einschätzung des Welternährungsprogramms (WFP, Bericht August 2025), die menschengemachte Hungersnot in Gaza. Das WFP warnte, dass ein Drittel der Bevölkerung in Gaza (700.000 Menschen) seit mehreren Tagen nichts mehr gegessen habe.
Die EU-Kommission hat am 17. September 2025 in einem Eilverfahren einen Vorschlag für konkrete Sanktionen gegen Israel verabschiedet (vgl. EU-Kommission, Pressemitteilung 17.9.2025). Die Bundesregierung kündigte an, dagegen zu stimmen (Tagesschau.de, 18.9.2025).
Die Mission 2025
Die Flotille hat bereits mit einigen Problemen zu kämpfen. Ursprünglich sollte sie schon am 4. September aus dem Hafen von Tunis starten, aber wegen schlechten Wetterbedingungen musste der Start verschoben werden. Noch vor dem Start wurde das Hauptschiff nach Angaben der Organisatoren von einer Drohne angegriffen – dabei soll an Bord ein Feuer ausgebrochen sein. In der Nacht drauf wurde ein anderes Schiff erneut von einer Drohne getroffen. Die Aktivisten sprechen von gezielter Einschüchterung, während die tunesischen Behörden bestreiten, dass Drohnen im Spiel waren (Al Jazeera, 15.9.2025). Mittlerweile hat der US-Botschafter in der Türkei bestätigt, dass Israel hinter dem Angriff in Tunesien stecke (New York Times, 16.9.2025).
Der tunesische Konvoi ist am 13. September neben den Konvois aus Sizilien, auch mit der deutschen Delegation, und aus Griechenland losgesegelt. Sie sollen sich laut Veranstalter auf internationalem Gewässer treffen. Durch ein Life-Tracker kann die Route der Boote verfolgt werden.(https://globalsumudflotilla.org/tracker/)
In den vergangenen Tagen gab es Drohnenangriffe auf die Flotille in internationalen Gewässern nahe Kreta. Laut den Organisatoren gab es ein Dutzend Drohnen und mehrere Explosionen. Verletzte soll es nicht gegeben haben. Die italienische Regierung entsandte als direkte Reaktion eine Marinefregatte. Giorgia Meloni, Präsidentin Italiens, betonte, dass die Fregatte keine Gewalt anwenden werde (Corriere della Sera, 18.9.2025). Die spanische Regierung entsandte ebenfalls ein Marineschiff. Es ist offen inwieweit Spanien in das Geschehen eingreifen wird.(El País, 19.9.2025). Die Türkei schickte am 29.09.2025 einen Hilfsschiff um 12 Aktivisten aus einem Boot zu evakuieren. Nach den Organisatoren gab es technische Störungen im Schiff. Außerdem lieferte der türkische Halbmond Lebensmittel- und Hygienepakete an die Aktivisten an Bord. Die zwei Schiffe sollen das Hilfskonvoi noch weiter begleiten. Zudem bestätigte ein ranghoher Offizieller, dass türkische Militärdrohnen die Flotille seid einigen Tagen eskortieren. Die deutsche Regierung schweigt bisher.
Laut einer aktuellen Pressemitteilung der Bewegung (01.10.2025) haben die Fregatten von Spanien, Italien und der Türkei das Konvoi wieder verlassen. Es wird erwartet, dass der Konvoi Gaza in den nächsten zwei bis drei Tagen erreicht. Das Angreifen von zivilen Schiffen auf internationalem Gewässer ist illegal.
Update 02.10.2025 8:00
12 der Hilfsschiffe wurden diese Nacht von israelischen Streitkräften geentert. Die Kommunikationsnetzwerke wurden zerstört sodass keine näheren Infos bekanntgegeben werden können. Mehr als 30 Schiffe segeln laut den Organisatoren immer noch. Das Schiff „Mikeno“ hat in den frühen morgen Stunden die Gewässer von Gaza erreicht. Es ist noch unklar ob es die anderen Schiffe auch nach Gaza schaffen werden.
Update 02.10.2025 18:30
Nach den aktuellsten Nachrichten wurden alle Boote der Global Sumud Flotilla von israelischen Streitkräften illegal geentert. Die Aktivisten wurden zum Hafen Ashdod verschleppt. Es ist ein völkerrechtswidriger Überfall auf eine zivile Hilfsflotte. Es ist unklar wann die Aktivistet wieder freigelassen werden. Unter den Geiseln befinden sich auch 15 deutsche Staatsbürger.
Die Global Sumud Flotilla ist kein Projekt einer einzelnen Einheit, sondern eine Koalition verschiedener ziviler und humanitärer Gruppen, die zusammenarbeiten:
- Freedom Flotilla Coalition (FFC) – eine Bewegung mit Erfahrung in Meeres-Missionen, z.B. um Blockaden zu durchbrechen
- Global Movement to Gaza (früher Global March to Gaza)
- Maghreb Sumud Flotilla – basiert in Nordafrika
- Sumud Nusantara – eine Bewegung aus Malaysia und anderen Staaten des Globalen Südens
Wer ist an Bord?
Zu den rund 1000 Aktivisten an Bord gehören Journalisten, Rechtsanwälte, Ärzte und Freiwillige aus verschiedensten Ländern. Nach Angaben des italienischen Aktivisten Tony Lapicci-rella, der auch an Bord der Handala war, gingen rund 30.000 Bewerbungen aus aller Welt ein (La Repubblica, 10.9.2025).
Zu den bekanntesten Teilnehmern gehören:
- Greta Thunberg (schwedische Klimaaktivistin)
- Enissa Amani (deutsche Komikerin und Schauspielerin)
- Ada Colau (ehemalige Bürgermeisterin von Barcelona)
- Liam Cunningham (irischer Schauspieler – bekannt aus „Game of Thrones“)
- Yasemin Acar (deutsche Aktivistin)
Außerdem haben zahlreiche Politiker, ehemalige Minister und Abgeordnete ihre Unterstützung angeboten. Eine gemeinsame Erklärung von Außenministerien aus 16 Ländern (darunter z.B. Irland, Spanien, Türkei) fordert Schutz und Sicherheit der Flotille gemäß internationalem Recht (El País, 20.9.2025). Die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten palästinensischen Gebiete, Francesca Albanese, äußerte sich unterstützend (UNHRC Statement, 21.9.2025). Auch die Organisation „Global Jews for Palestine/Jewish Voice for Labour“ hat eine Erklärung abgegeben, in der die Flotille unterstützt wird.
Ehemalige Missionen
Die Sumud Flotilla ist nicht die erste Mission, die versucht, Hilfe nach Gaza zu bringen. Noch in diesem Jahr sind die Schiffe „Maddleen“ und „Handala“ Richtung Gaza gesegelt. Beide wurden laut Freedom Flotilla Coalition in internationalen Gewässern von Israel gestürmt (vgl. UNCLOS, Art. 87,90,92). Israel nahm die Zivilisten in Gewahrsam (vgl. Internationales Übereinkommen gegen Geiselnahme 1979; Genfer Konvention IV, Art. 49) und verschleppte sie nach Israel. Sie wurden gezwungen, sich schuldig zu bekennen, Israel illegal betreten zu haben, obwohl sie unfreiwillig nach Israel gebracht wurden (vgl. Art. 14 Abs. 3(g) IPBPR).
Bereits 2007 gab es erste Versuche, Hilfe nach Gaza zu bringen. Die wohl bekannteste Mission ist die Mavi Marmara. Das Hilfsschiff aus der Türkei wollte Hilfsgüter nach Gaza bringen, als Israel das Schiff stürmte. Dabei wurden zehn Aktivisten getötet. Fünf der Getöteten wiesen Schüsse in den Rücken oder Hinterkopf auf – Hinweise auf gezielte Tötung. Die UN-Faktenermittlungsmission stellte fest, dass sich auf dem Schiff keinerlei Waffen befanden, dagegen sei erwiesen, dass israelische Soldaten scharfe Munition gegen Zivilisten einsetzten (UNHRC Fact-Finding Mission, 2010). Der Vorfall löste international Empörung aus. Die diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und Israel verschlechterten sich seitdem extrem.
Der wiederholte Angriff auf humanitäre Hilfsmissionen ist völkerrechtswidrig und muss verurteilt werden. Die Mission war trotz der hohen Anteilnahme und Motivation nicht erfolgreich – doch ihr Aufbruch erinnert uns daran, dass die Frage nach Gerechtigkeit und Freiheit nicht verstummen wird. Deutschland muss alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen um die deutschen Staatsbürger aus Israel zurückzuholen.
1 Verstoß gegen das UN-Seerechtsübereinkommen-UNCLOS, Art. 87,90,92, Verbot des Angriffs auf fremde Schiffe in internationalen Gewässern
2 Verstoß gegen das Internationale Übereinkommen gegen Geiselnahme 1979; Genfer Konventionen IV, Art. 49[Verbot der Deportation von geschützten Personen]
3 Verstoß gegen Art. 14 Abs. 3 (g) IPBPR – Niemand darf gezwungen werden, sich selbst zu belasten; sowie gegen Grundsätze der fairen Verfahren im Völkerrecht.
