GESELLSCHAFT, UMWELT

Jeder Tropfen zählt!

Es ist ein hochsommerlicher Maitag, als ich in Frankfurt ins Flugzeug steige um ins herbstliche Kapstadt, Südafrikas „Mother City“, aufzubrechen. Das Thema Bewusstseinswandel am Beispiel der Wasserkrise Südafrikas führen mich nach Kapstadt, der ersten Millionenmetropole der Welt, in der die Wasserversorgung abgestellt werden könnte. Die Ankündigung des „Day Zero“, dem Tag, an dem das Wasser endgültig zur Neige gehen würde, sorgte weltweit für Schlagzeilen.

Zu Jahresbeginn wurde prognostiziert, dass am 12. April 2018 die Wasserreserven von Kapstadt völlig erschöpft sein würden.

Dann könnten die Einwohner ihre Ration nur noch an Sammelstellen bekommen, die von Polizei und Armee bewacht werden. Diese unvorstellbare und endzeitlich anmutende Vorstellung hat die Stadtverwaltung und die Kapstädter zum Umdenken und vielleicht einen nachhaltigeren Bewusstseinswandel im Umgang mit den Trinkwasserressourcen bewegt.

Eine jahrelange Dürre ist Ursache für die schwere Wasserkrise im auf der Südhalbkugel gelegenen Kapstadt. Bislang hoffte die Millionen-Metropole auf ausreichende Regenfälle, die die Trinkwasserreservoire rund um die Stadt wieder füllen. Doch als der Wasserspiegel in den Auffangbecken auf weniger als 23 Prozent sank, setzte langsam Panik ein.

Bereits am Flughafen werde ich mit einer „360 Grad“ SAVE WATER Kampagnen empfangen und auf eine dramatische Wassersituation vorbereitet. Für die kommende Woche ist Regen angesagt und ich bin gespannt, wie sich das auf die in den Medien beschriebene Panikstimmung auswirkt.

Auf den ersten Blick nehme ich davon auf der Autofahrt vom Flughafen vorbei an den Townships ins Stadtzentrum nicht viel wahr. Es gibt weder Hamster-Wasser-Käufe in Supermärkten noch Menschenmengen mit Plastikkanister an öffentlichen Wasserstellen.

Erst auf den zweiten Blick sind die auffälligen Zeichen der Krise nicht zu übersehen.

Überall wo Wasser genutzt wird oder Wasser ein Thema ist, wird mit Plakaten um den bewußten Umgang damit geworben. In öffentlichen Toiletten will man mit dem Hinweis „If it’s yellow, let it mellow. If it’s brown, flush it down.“ die Wasserspülung reduzieren. Spülen soll man also nur, wenn es auch wirklich notwendig ist.

An den Waschbecken bitten Aufkleber um Verständnis, dass das Wasser abgestellt ist, weil jeder Tropfen zählt. Als Ersatz für die Handwäsche stehen Desinfektionssprüher zur Verfügung.

Die Küche und die Restaurants in Kapstadt zählen zu den besten der Welt. Die Kreativität zeigt sich in der Wasserkrise aber nicht nur in der Kochkunst sondern auch in den Möglichkeiten, Wasser zu sparen. Man verzichtet zum Beispiel bewusst auf Nudeln oder gekochtes Gemüse weil nur wassersparende Kochmethoden wie Dämpfen und Braten genutzt werden. Selbst das Schmelzwasser von den Eiswürfeln aus den Getränkekühlern wird zum Wischen der Tische genutzt. Auch in Nobelhotels sind die Stoffservietten von den Tischen verschwunden, und das Grauwasser aus den Klimaanlagen wird für die Bewässerung der Grünanlagen wieder verwertet.

Angerichtet und serviert wird in manchen Restaurants auf Pappteller und in Pappbechern. Man kann aber auch sein eigenes Glas für den Wein mitbringen. Gespült wird später zuhause mit dem restlichen Kochwasser aus dem Wasserkocher.

Die Kapstädter scheinen sich mit dem Wassernotstand arrangiert zu haben und so etwas wie Alltag eingekehrt zu sein. Die Einweisungen für Gäste, wie die Eimer, Kanister und Tonnen für die Wassersparmaßnahmen in den Guesthouses eingesetzt werden, sind obligatorisch.

Entspannte Wannenbäder gehören in vielen Pensionen und Hotels der Vergangenheit an, denn die Stöpsel sind kurzerhand einfach entfernt worden. Zum Duschen bleiben nur zwei Minuten Zeit. Da muss man sich entscheiden, wo die Prioritäten liegen. Langes Shampoonieren und Pflegespülungen sind nicht mehr drin. Aber man denkt drüber nach, wie man doch noch alles in den zwei Minuten Duschzeit schafft und zusätzlichen Spielraum für Pflegeextras gewinnt, weil man z.B. zwischenzeitlich das Wasser einfach mal abstellt oder auf Trockenshampoo zurückgreift.

In der Dusche ist Multitasking gefragt, denn das Wasser muss in zwei verschiedenen Behältern aufgefangen werden. Das saubere Wasser aus dem Anfangsstrahl bis es sich erhitzt hat, landet in der einen Wanne, um damit später Geschirr zu spülen und in einem anderen Eimer das Grauwasser, das für die Toilettenspülung genutzt wird.

„The new normal“ nennen die Capetonians ihren neuen Wassersparmodus.

Früher war Wasser preiswert und für alle scheinbar im Überfluss vorhanden. Erst in der Krise verstehen alle, wie verschwenderisch man mit dieser wertvollen Ressource umgegangen ist.

Zur Bewältigung der Wasserkrise mussten die Einwohner der „Mutterstadt“ ihren Wasserverbrauch drastisch auf 50 Liter pro Tag einschränken. Die Rationierungsmaßnahmen bleiben auch weiterhin aufrecht. Denn: Die Wassermengen in den Speicherseen in der südwestlichen Provinz Westkap, deren Hauptstadt Kapstadt ist, sinken nach wie vor.

Am 2. April lag der durchschnittliche Pegelstand bei 17,7 Prozent, eine Woche davor waren es noch 18,3 Prozent gewesen. Allein der Theewaterskloof-Damm liefert 41 Prozent des Wassers für Kapstadt. Aktuell liegt die Kapazität bei nur noch 10,3 Prozent.

Damit die Wasserhähne in der Touristenmetropole auch in Zeiten des Klimawandels weiter laufen können, müssen sich auch die Besucher auf die Krise einstellen auf Abkühlungen im Pool verzichten und sich mit großen Regentonnen statt Loungeecken im Garten arrangieren. Aber nicht überall sind die Pools leer oder abgedeckt. Manche Hausbesitzer nehmen trotz allem die hohen Bußgelder in Kauf, um auf keinen Luxus verzichten zu müssen. Genau hier wird deutlich, dass die Krise nicht alle gleich trifft.

Jeder versucht seine Wasserversorgung mit Abwasser-Recycling, Regentonnen und Grundwasserbohrungen auf dem Grundstück autarker zu gestalten. Die drastisch gestiegenen Wasserpreise sind für viele fast nicht mehr bezahlbar. Auch die Kommune hat ein finanzielles Problem und weiß nicht, wie sie die fehlenden Einnahmen kompensieren soll.

Trotz der Abdeckung von etwa 70% der Erdoberfläche ist Wasser, insbesondere Trinkwasser, nicht so reichlich vorhanden, wie man meinen könnte. Nur 3% davon sind trinkbar. Über eine Milliarde Menschen haben keinen Zugang zu Wasser.

Von Grundwasserbohrungen auf privaten Grundstücken profitieren die Bewohner aber auch die kommunalen Versorger gleichermaßen. Das Wasser muss durch ein Leitungsrohr über die Hausmauern zur Strasse für alle zugänglich sein. Hier wird es in Tankwagen und Kanister abgefüllt oder es läuft einfach die Strasserinne entlang und verschwindet durch ein leckes Abwasserkanalsystem ins Meer.

Die Hauptursache für Wasserkrisen in den städtischen Zentren und an fast allen Orten ist ein schlechtes Wassermanagement. Insbesondere durch das schlechte oder fehlende Leitungssystem verliert Südafrika 37 Prozent seines Wassers, wie ein Bericht der NGO GreenCape feststellte.

Die drohende Krise hat die Stadt dazu gebracht, mit anderen Mitteln die Wasserversorgung langfristig sicherzustellen. Dazu wurde in vielen Stadtteilen der Wasserdruck gesenkt. Zudem wurde in alternative Wasserquellen investiert, wie Grundwasserbohrungen, Entsalzung und Aufbereitung von Brauchwasser.

Einen großen Anteil zur Verhinderung des Kollaps leisteten die Landwirte, die der Stadt Millionen Liter Trinkwasser aus privaten Auffangbecken zur Verfügung stellten.

 

Die Stadt hat die Abgaben für Wasserverbrauch wegen der Krise deutlich erhöht, weil es zum Wassersparen anspornen sollte, aber viele Dienstleister und viele private Vermieter von Gästezimmern spüren die Konsequenzen, weil sie ihre Preise erhöhen mussten und Kunden oder Touristen ausbleiben.Meine Gastgeberin entschuldigt sich nun schon seit drei Tagen, dass sie unbedingt zum Friseur muss. Für das Haarewaschen müsste sie aber einen Fünf-Liter-Wasserkanister aus dem Supermarkt mitbringen, damit ihr Friseurbesuch nicht so teuer wird, erzählt sie mir.

Trotz aller Maßnahmen sind Experten überzeugt, dass die Wasserkrise in Kapstadt anhalten wird. Denn die Kernprobleme bestehen nach wie vor in dem rapiden Bevölkerungswachstum, das eine der Hauptursachen für Wasserknappheit in der Mutterstadt ist.

In den letzten 23 Jahren hat sich die Einwohnerzahl von Kapstadt fast verdoppelt und ist von 2,4 Millionen auf 4,3 Millionen Menschen gestiegen. Die Wasserversorgung hielt mit dieser Entwicklung aber nicht mit. Insgesamt konnte die Wasserkapazität seit 1995 nur um 15 Prozent erhöht werden. Dies ist hauptsächlich mit der Erweiterung der Speicherkapazität durch den Bau des Berg-River-Damm im Jahr 2007 zu verdanken, der einzigen Maßnahme seit 1995 zur gestiegenen Trinkwasserversorgung der wachsenden Stadt.

Doch die Wasserprobleme bleiben nicht nur auf Afrika beschränkt.

Die BBC hat kürzlich elf Metropolen genannt, die ein ähnliches Schicksal wie Kapstadt erleiden könnten. Darunter sind Städte wie São Paulo, Kairo oder Peking. Aber auch London und Miami befinden sich auf der Liste.

Anfang März – am Ende eines heißen und trockenen Sommers kam endlich die Entwarnung. Die Stadt erklärte, dass aufgrund des gesenkten Bedarfs und neuen Wasserquellen der Trinkwasservorrat bis August gesichert sei. Da der Termin jedoch mitten in der regenreichen Zeit liegt, wird die «Stunde Null» in diesem Jahr nicht mehr erwartet.

Das nach einer Woche das „new normal“  auch in meinem Kopf angekommen ist, merke ich daran, dass ich viel bewußter den Wasserhahn aufdrehe und nur die wirklich notwendige Menge Wasser laufen lasse. Aber wie lange das Bewusstsein für das Wassersparen bei allen anhält ist zweifelhaft. Wie dramatisch muss eine Krise sein, damit sie wirklich von allen ernst genommen wird?  Bewirken nur Endzeitstimmungen ein Umdenken und Handeln?

Dauerhaft muss allen Menschen klar sein, dass nie wieder so viel Wasser wie vorher verbraucht werden kann. Wassersparen muss zum neuen Lebensalltag werden. Und das weltweit, denn Kapstadt ist nicht die erste Metropole der Welt, in der Wasser zum knappen Gut geworden ist.

photos©paula vollmer