In Zeiten von OOTD (Outfit of the Day) und HAUL (wenn jemand seine Einkäufe filmt und vorstellt) ist SALE ein magisches Wort! Ein Wort, dass unglaubliche Reaktionen auslösen kann und viele in Rausch versetzt. Je spektakulärer und unglaublicher die Preisen sind, um so weniger denken wir über den wirklichen Wert des Kleidungsstücks nach.
„Bei den Preisen kann man ja nix falsch machen…“ das sind die Argumente für unsere spontanen Kaufentscheidungen bei Billigkleidung, die noch nicht einmal eine Saison überleben muss. Worüber wir aber gar nicht mehr nachdenken sind die Arbeitsbedingungen der Näherinnen in den indischen Textilfabriken, denn die sind dabei meist ganz weit weg. Nicht so für eine britische Primark-Kundin: Denn jemand hatte eine Botschaft in ihr Kleid genäht.
Eine britische Kundin der derzeit angesagtesten Billigmodekette Primark ist nicht nur die Lust auf ihr neu erstandenes Sommerkleid mächtig vergangen, sondern es hat auch ihre Einstellung zu dem Textilanbietern geändert. Sie habe in ihrem zwölf Euro teuren Sommerkleid von Primark ein Etikett mit einer Nachricht gefunden. „Forced to work for exhausting hours“, zu Deutsch etwa „gezwungen, stundenlang bis zur Erschöpfung zu arbeiten“, sei handschriftlich auf dem Etikett gestanden, das jemand mit der Hand zwischen die anderen genäht hatte. Es sei ihr aufgefallen, als sie nach der Waschanleitung geschaut habe, erzählte die 25-Jährige einer Zeitung. Weil sie sich schuldig fühlte und ein ausbeuterisches Arbeitssystem nicht unterstützen wollte, zog sie das Kleid nie wieder an.
„Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie darüber nachgedacht, wie die Kleider hergestellt werden“, sagte sie. „Aber das hat mich jetzt zum Nachdenken darüber gemacht, woher wir unsere billigen Klamotten bekommen.“
Primark bat er um Rückgabe: „Wir wären der Kundin dankbar, wenn sie das Kleid an uns übergeben würde, damit wir untersuchen können, wie das Schildchen an das Kleid gelangte und ob dieser Sache weiter nachgegangen werden muss.“
Vor mehr als einem Jahr stürzte das Rana Plaza in Bangladesch ein. Beim schwersten Unglück in der Textilindustrie starben mehr als 1130 Menschen, mehr als 2500 wurden teils schwer verletzt.
Die Arbeitsbedingungen der Näherinnen, die dort zu Dumpinglöhnen Textilien für westliche Modehäuser herstellen, gerieten in die Kritik. Zu den Unternehmen, die in einer der Fabriken in dem Gebäude produzieren ließ, gehörte auch das irische Unternehmen Primark.
Der irische Textildiscounter Primark wirbt mit Spottpreisen für seine Klamotten. Das hemmungslose Shoppen hinterlässt Müllberge.
Die Szenen von Shoperöffnungen ähneln denen von Autogrammstunden mit Teenie-Idolen: Wenn Primark irgendwo in Europa eine neue Filiale eröffnet, stürzen sich kreischende Kundinnen auf die Schuh- und Kleiderregale und raffen alles zusammen, was sie tragen können. Der Hype Primark ist jetzt auch nach Deutschland geschwappt.
Hemmungslos Shoppen, weil es so billig ist, ist die Devise für viele Kundinnen. Die Kunden scheinen in ihrem Kaufrausch völlig die Kontrolle zu verlieren.
Kunden unter 35 Jahren ist die Hauptzielgruppe der irische Textildiscounter. Dabei hat Primark Kik, Takko, H&M und C&A, aber auch die Discounter Aldi und Lidl als Konkurrenten. Doch Primark will noch modischer und noch billiger sein als seine Konkurrenz.
Billige Kleidung wird laut einer Studie im Auftrag der britischen Regierungmit mit hoher Wahrscheinlichkeit nach kurzer Zeit weggeworfen, denn sie wird als wenig haltbar wahrgenommen. In Deutschland ist zu beobachten, dass die Zahl die angebotenen Kleidungsstücke in den vergangenen Jahren um 15% angestiegen ist. Gleichzeitig sind aber die Ausgaben der Haushalte für Bekleidung auf 106 Euro im Monat gesunken. Das bedeutet, immer mehr Bekleidung für immer weniger Geld. Und das bleibt nicht ohne Folgen für die Umwelt.
Eine vor fünf Jahren veröffentlichte Studie hat binnen 15 Jahren einen Anstieg der aussortierten Klamotten um einen Fünftel auf 750.000 Tonnen gemessen. Und das Statistische Bundesamt verzeichnet aktuell einen Anstieg der Textilmenge in den Haushaltsabfällen. Wurden im Jahr 2004 noch 82.400 Tonnen Textilmüll von den öffentlich-rechtlichen Entsorgern verwertet, waren es 2010 bereits 100.300 Tonnen. Doch erfasst die Statistik nur ein Siebtel bis ein Achtel aller Textilabfälle. Entsorgt werden die Klamotten auf zwei Wegen: über den Hausmüll und über Kleidersammlungen. Die eingesammelten Textilien werden sortiert. Was noch getragen werden kann, wird in Osteuropa und Afrika verkauft. Was nicht mehr brauchbar ist, wird als Brennmaterial verwendet.
Festgestellt worden ist auch, dass sich die Qualität der Altkleider durch die in Asien hergestellte Billigware seit mehreren Jahren verschlechtert. Wenn mehr weggeworfen wird steigt der Rohstoffverbrauch und der ist erstaunlich hoch:
Für die Herstellung eines Baumwoll-T-Shirts werden 7000 Liter Wasser und 1,2 Kilogramm Chemikalien verbraucht sowie sieben Kilogramm CO2 ausgestoßen. Die Kunstfasern werden aus Öl hergestellt.
Das Problem können nur höhere Preise lösen.
Wenn Kleidung von qualitätiv hochwertiger und das Design exklusiver und zeitloser wäre, würde sie länger getragen werden. Wenn aber neue Hosen oder Jacken schon für ein paar Euro zu haben sind, gibt es auch keinen Grund mehr, Second-Hand-Kleidung zu kaufen.
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