Warum so viele junge Leute Linke und AfD gewählt haben – und warum die Rolle von TikTok auch problematisch ist.

Die Bundestagswahl 2025 hat mal wieder gezeigt: Junge Wähler ticken anders als der Rest. Während insgesamt die CDU die meisten Stimmen geholt hat, sieht es bei den 18- bis 24-Jährigen komplett anders aus. Hier hat die Linkspartei mit 25 Prozent die Nase vorn, dicht gefolgt von der AfD mit 21 Prozent. Die CDU? Gerade mal 13 Prozent – ganz schön schwach für eine Partei, die eigentlich den neuen Kanzler stellt. Aber warum haben gerade Linke und AfD bei den jungen Leuten so stark abgeschnitten?
Professor Uwe Jun, Politikwissenschaftler von der Universität Trier, begründet dies damit, dass die Meinungen in dieser Altersgruppe noch nicht so gefestigt sind. „Das Umfeld von jungen Leuten ist sehr wichtig für deren politische Prägung. Die Meinungen sind hier noch nicht so gefestigt, sie sind leichter zu beeinflussen. Die politischen Haltungen und damit einhergehende Parteineigung sind bei jungen Leuten unsteter, deshalb könnten sich die Parteien auch mittel- oder langfristiger als Wähler nicht auf sie verlassen.“ Das sähe man auch an den Präferenzen der Jungen bei den vergangenen Wahlen. „Gewählt wurden immer gerne die Parteien, die ihre Politik pointierter darbieten, und das machen eher Parteien in der Opposition.“
Das politische Interesse sei bei jungen Menschen insgesamt geringer als bei der älteren Bevölkerung, so Jun, man informiere sich oftmals weniger detailliert und mehrheitlich über Social Media. Es gebe zwar junge Wähler, die Parteien sehr differenziert anschauen – auch über den Wahl-O-Mat – bei anderen spiele eher Aufgeschnapptes auf Social Media und insbesondere TikTok die wahlentscheidende Rolle.
TikTok statt Talkshows – so erreichen Parteien junge Leute
Seien wir ehrlich: Wer von uns schaut sich freiwillig stundenlange Bundestagsdebatten oder Talkshows an? Politik läuft für viele junge Leute heute über Social Media – und da vor allem über TikTok. Und genau das haben Linke und AfD für sich genutzt. Linken-Spitzenkandidatin Heidi Reichinnek hat auf TikTok satte 575.200 Follower, AfD-Chefin Alice Weidel sogar 931.900. Zum Vergleich: Robert Habeck (Grüne) dümpelt bei 103.200 rum, CDU-Chef Friedrich Merz bringt es gerade mal auf 91.500. Ganz ehrlich: Wer kaum Follower hat, kann halt auch keine jungen Wähler erreichen. Die Strategie von Linke und AfD ist dabei unterschiedlich. Die Linke setzt auf soziale Themen, Feminismus, Antifaschismus und persönliche Einblicke – von Bundestagsreden bis hin zu Tattoos. Die AfD spricht Leute an, die unzufrieden mit der Politik sind, und setzt auf viele Unterstützer, die ihre Inhalte pushen. Egal, ob man die Inhalte feiert oder nicht – sie wissen zumindest, wie man auf TikTok Reichweite bekommt.
Aber kann Politik in 60 Sekunden wirklich funktionieren? Klar, TikTok ist schnell, unterhaltsam und einfach zu konsumieren. Aber genau das ist auch das Problem. Die Plattform lebt von kurzen, emotionalen Videos – perfekt, um Meinungen zu verstärken, aber schlecht, um komplizierte politische Zusammenhänge zu erklären.
Wer nur TikTok schaut, bekommt oft keine neutrale Berichterstattung, sondern gefilterte Inhalte, die von Algorithmen bestimmt werden. Emotionale Videos gehen viral, sachliche Erklärungen nicht. Das heißt: Skandale, Zuspitzungen und einfache Feindbilder ziehen mehr als differenzierte Debatten.
Politiker können sich in 60 Sekunden leicht als „nahbar“ und „cool“ inszenieren – aber bedeutet das, dass sie wirklich gute Politik machen? Ein großes Problem ist auch, dass nicht alle Inhalte überprüft werden. Wer Fake News oder Halbwahrheiten verbreitet, kann trotzdem Millionen Menschen erreichen – bevor jemand Fakten checkt, haben sich falsche Behauptungen oft schon festgesetzt. Junge Wähler sind gespalten – und TikTok verstärkt das.
Und was macht TikTok? Es verstärkt genau diese Unterschiede. Der Algorithmus zeigt jedem nur das, was zu seinen bisherigen Interessen passt – wer einmal AfD-Videos schaut, bekommt mehr davon, wer Linke feiert, bleibt in dieser Bubble. Das kann dazu führen, dass man irgendwann nur noch eine Seite der politischen Debatte sieht – und die andere Seite für komplett dumm oder gefährlich hält. Und die anderen Parteien verpassen den Anschluss. So sind CDU, SPD und die Grünen nicht erfolgreich, weil sie TikTok lange nicht ernst genommen haben. Klar, sie haben in diesem Wahlkampf mehr Social Media gemacht als je zuvor – aber halt viel zu spät.
Der Politikberater Johannes Hillje sagt, die Parteien müssten lernen, emotionaler zu kommunizieren, ohne dabei unsachlich zu werden. Klingt logisch: Lange Erklärungen und komplizierte Inhalte funktionieren auf TikTok nicht – stattdessen brauchen sie klare Botschaften, starke Bilder und einfache Sprache.
Politik auf TikTok ist eine Chance Aber auch ein Risiko. Eins steht fest: Social Media beeinflusst Wahlen – vor allem bei jungen Leuten. Einerseits ist es eine riesige Chance, Politik nahbarer, zugänglicher und für viele erst durch Plattformen wie TikTok interessanter zu machen. Hier müssen sich Politiker klar ausdrücken und junge Menschen direkt ansprechen.
Andererseits besteht die Gefahr, dass Politik zu einem reinen „Influencer-Game“ wird. Wer die beste Inszenierung auf TikTok hat, gewinnt – unabhängig davon, ob die Inhalte wirklich sinnvoll oder fundiert sind.
Für uns bedeutet das aber, dass wir TikTok nicht blind vertrauen sollten, sondern uns auch außerhalb der App informieren. Egal, welche Partei man wählt – wichtig ist, dass die Entscheidung auf echten Infos basiert und nicht nur auf den viralen Clips, die gerade im Feed landen.
Unsere Quellen: WDR-Gespräch mit Politikberater Johannes Hillje, infratest dimap, tagesschau.de