Immer online, nie dabei? Wie FOMO unsere Generation unter Druck setzt.

Du scrollst durch deine Storys und siehst: Die eine Freundin auf einem Festival, dein Kumpel im Urlaub auf Bali, andere feiern die Zusage fürs Masterprogramm. Und du? Sitzt auf dem Sofa, mit einem leichten Ziehen im Bauch – dieses Gefühl, nicht genug zu erleben. Du erlebst FOMO – “Fear of Missing Out”.

Das Gefühl, etwas zu verpassen, begleitet unsere Generation auf Schritt und Tritt. Und das liegt nicht nur an den coolen Partys, zu denen wir nicht eingeladen wurden, oder an der Auslandsreise, die wir uns gerade nicht leisten können. Es ist viel subtiler – und tief verankert in unserer digitalisierten Lebensrealität.

Was früher als gelegentliches Gefühl des „Außen-vor-Seins“ galt, ist heute ein Dauerzustand geworden. Die Psychologie spricht von FOMO, also der Angst, nicht dabei zu sein, wenn andere etwas Tolles erleben. Was das mit uns macht, zeigt eine Studie der University of Essex: Menschen mit starkem FOMO empfinden weniger Lebenszufriedenheit, sind oft unruhig und neigen dazu, sich ständig mit anderen zu vergleichen.

FOMO ist also kein Gag aus dem Internet – sondern ein echtes Phänomen mit ernsthaften Auswirkungen. Besonders betroffen: junge Erwachsene, also wir. Kein Wunder, denn kaum eine Generation vor uns war so vernetzt, so sichtbar – und so vergleichbar.

Social Media – das FOMO-Karussell

Instagram, TikTok, Snapchat – sie alle zeigen das vermeintlich perfekte Leben. Aber niemand postet seine langweiligen Sonntage, seine Unsicherheiten oder die schlaflosen Nächte wegen Prüfungsstress. Was wir sehen, ist die Hochglanzversion – und wir vergleichen sie mit unserem echten Alltag.

Das Problem: Studien zeigen, dass wir genau diese Vergleiche kaum vermeiden können. Wer viel Zeit auf Social Media verbringt, hat laut der Forschung nicht nur ein höheres FOMO-Level, sondern auch ein größeres Risiko für Angststörungen und depressive Verstimmungen. Und: Je geringer unser Selbstwertgefühl, desto stärker schlagen diese Effekte zu.

Kulturvergleich: Ist FOMO überall gleich?

Interessanterweise ist FOMO nicht überall gleich stark verbreitet. Während es in individualistisch geprägten Ländern wie den USA oder Deutschland besonders ausgeprägt ist, sieht es in kollektivistischeren Kulturen – etwa in China oder Japan – anders aus. Dort geht es mehr darum, die Erwartungen der Gemeinschaft zu erfüllen, als ständig individuell herauszustechen. Aber: Auch dort spielt Social Media eine immer größere Rolle, und mit ihr wächst auch der Druck, sichtbar und erfolgreich zu sein. FOMO wird also mehr und mehr ein globales Thema – wenn auch mit unterschiedlichen Ausprägungen.

Gegenbewegung: JOMO statt FOMO

Zum Glück gibt’s auch einen Gegentrend. JOMO – die „Joy of Missing Out“. Der bewusste Genuss, nicht überall dabei zu sein. Klingt banal, ist aber revolutionär in einer Zeit, in der alles geteilt, bewertet und kommentiert wird. Immer mehr junge Leute setzen auf Digital Detox, schalten bewusst das Handy aus oder legen Social-Media-Pausen ein.

Mindfulness-Apps, Offline-Tage, oder einfach mal ohne Kamera auf ein Konzert gehen – es sind kleine Schritte, aber sie helfen. Studien zeigen, dass Achtsamkeit und Offline-Zeiten unsere mentale Gesundheit stärken und uns unabhängiger vom digitalen Vergleich machen können.

Unser Standpunkt: Du bist genug – auch ohne Insta-Story

FOMO trifft uns alle. Aber es definiert uns nicht. Unser Leben ist nicht weniger wert, nur weil wir es nicht ständig posten. Und echte Erlebnisse – die passieren meistens dann, wenn wir das Handy gerade nicht in der Hand haben.

Vielleicht verpassen wir etwas. Vielleicht auch nicht. Vielleicht geht’s nicht darum, überall dabei zu sein – sondern dort, wo wir wirklich sein wollen. Und das reicht. Dein Beitrag zählt!

Was ist dein Umgang mit FOMO? Hast du bewusst auf Social Media verzichtet oder das Gefühl gehabt, nicht mithalten zu können? Schreib uns an redaktion@standpunkt-magazin.de

Quellen

  1. Przybylski, A. K., Murayama, K., DeHaan, C. R., & Gladwell, V. (2013). Motivational, emotional, and behavioral correlates of fear of missing out. Computers in Human Behavior, 29(4), 1841–1848.
  2. Elhai, J. D., Levine, J. C., Dvorak, R. D., & Hall, B. J. (2016). Fear of missing out, need for touch, anxiety and depression are related to problematic smartphone use. Computers in Human Behavior, 63, 509–516.
  3. Dhir, A., Yossatorn, Y., Kaur, P., & Chen, S. (2018). Online social media fatigue and psychological wellbeing—A study of compulsive use, fear of missing out, fatigue, anxiety and depression. International Journal of Information Management, 40, 141–152.
  4. Lim, M. S. C., et al. (2020). The impact of social comparison and culture on FOMO. Journal of Cross-Cultural Psychology, 51(3), 239–255.
  5. Brown, K. W., & Ryan, R. M. (2003). The benefits of being present: Mindfulness and its role in psychological well-being. Journal of Personality and Social Psychology, 84(4), 822.