Eine Niere für den Familiennachzug?  

Die schwierigen Lebensverhältnisse und die finanzielle Not von Flüchtlingen lassen den illegalen Organhandel auf der Welt blühen. Wir sind an Berichte gewöhnt, die zeigen, dass Schutzsuchende obdachlos sind, betteln müssen oder in die Prostitution gezwungen werden. Die Steigerungsform ist jetzt, dass auch Organe verkauft werden, um eine menschenwürdige Perspektive oder eine Fluchtalternative zu entwickeln.

Organe als Zahlungsmittel für Schlepperbanden

Das ARD-Magazin „FAKT“ hat 2017 eigene Recherchen in der Türkei durchgeführt. Demnach bieten immer mehr Geflüchtete aus Syrien eine Niere oder einen Leberlappen zum Kauf an, um an Geld zu kommen. Die Käufer sind Patienten aus dem Westen oder aus Saudi-Arabien. Im Rahmen ihrer Recherchen werteten die Reporter Verkaufsanzeigen in sozialen Netzwerken aus und führten Interviews mit potenziellen Spendern in der Türkei. So berichtet laut FAKT der aus Syrien geflohene Ahmed: „Ich kann kein Türkisch, ich habe keine Bekannte, keine Arbeit, keine Wohnung. Ich verkaufe meine Niere, weil ich riesige Probleme habe und unter Druck stehe. Es gibt keine andere Möglichkeit, um zu Geld zu kommen, als meinen Körper zu verkaufen.“ (Quelle: www.tag24.de)

„Hole uns nach oder schicke wenigstens Geld.“

Der „Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ (BumF) hat eine Online-Umfrage unter Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe durchgeführt und ermittelt, dass der Großteil der Kinder und Jugendlichen in den Herkunftsländern oder auf der Flucht Gewalt und Missbrauch erleben müssen. Da die Fluchtrouten immer gefährlicher würden ist laut BumF mit einer steigenden Zahl von schwer traumatisierten Minderjährigen zu rechnen.

Der Vorsitzende des „Berufsverbandes der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Nordrhein“ (bkjpp-no), Dr. Josef Kirchner verweist auf dramatische Entwicklungen beim Thema Familiennachzug für traumatisierte Flüchtlingskinder. Viele von ihnen sind oft mit dem Auftrag der Familie nach Europa geschickt worden, die Familie nachzuholen oder wenigstens Geld zu schicken.

Kinder von der eigenen Familie als Ware benutzt?

Laut Kirchner zeige die Erfahrung aus der Praxis, dass minderjährige Migranten immer häufiger gezielt und mit hohem Aufwand mittels Schleusern „importiert“ werden. Der Arzt sagt: „Wenn eine Familie in Not ist, flieht sie gemeinsam aus Kampfgebieten. Hier aber werden Kinder und Jugendliche für viel Geld einem Schlepper übergeben, der beliebig mit den Minderjährigen umspringt.“ Was mit den Kindern dann geschehe, sei unvorstellbar grausam. Das geht von Misshandlung über Missbrauch und Prostitution. Vermutlich werden die Kinder auch zu unbekannten Prozentsätzen dem Organhandel zugeführt.

Organhandel ist ein lukratives Geschäft

Es spricht viel dafür, dass gerade Terrorgruppen und Schlepperbanden den Organhandel immer mehr professionalisieren. 2.500 bis 3.000 Dollar erhält ein Organspender laut Europarat für eine Niere – und manchmal sind es noch viel weniger. Die Empfänger zahlen oft das Hundertfache – ein florierender Markt für die Händler.

Keine genauen Zahlen

Genaue Zahlen über den weltweiten Organhandel gibt es nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedoch nicht – erstens, weil scheinbar alle Beteiligten von den Deals profitieren und deshalb schweigen. Zweitens ist die Branche extrem unübersichtlich, die Händler arbeiten grenzüberschreitend.

Strafrechtliche Folgen

Als Medien über den Handel mit Organen serbischer Gefangener nach dem Kosovokrieg Ende der 1990er Jahre berichteten, wurde der Europarat aufmerksam. Um die Praktiken zu stoppen, erarbeitete er eine Konvention gegen den Handel mit Organen. Im Juli 2014 nahm das Ministerkomitee des Europarats diese an.
Strafbar soll demnach sein, Organe unter Zwang oder gegen Geld zu entnehmen, und damit illegalen Handel zu betreiben. Auch illegale Implantationen bei zahlungskräftigen Patienten sollen bestraft werden. Organhändler und Chirurgen, die sich an diesen illegalen Praktiken beteiligen, können strafrechtlich belangt werden.

In den westlichen Ländern ist Organhandel zumeist verboten, Lebendspenden sind nur zwischen emotional eng verbundenen Menschen erlaubt. In Deutschland wird Organhandel mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft, der Ablauf einer Transplantation ist seit 1998 gesetzlich geregelt. „Eine Organspende darf nur aus freiem Willen und ohne kommerziellen Druck erfolgen“, erklärt dazu die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO).

Die Welt­gesund­heits­organi­sation WHO schätzt, dass jedes Jahr etwa 10.000 Organe auf dem Schwarzmarkt angeboten werden. (Quelle: kna/aerzteblatt.de)

Die Europarats-Konvention gegen den Handel mit menschlichen Organen war im März 2015 im spanischen Santiago de Compostela veröffentlicht worden und kann seitdem unterzeichnet werden. 17 weitere Länder der insgesamt 47 Mitgliedstaaten des Europarats ratifizierten die Konvention bereits. Deutschland ist nicht darunter.

Ware Mensch

Ein menschlicher Körper ist heute eine europaweit, sogar weltweit gehandelte Ware. Ein Millionengeschäft, das auf der Hoffnung verzweifelter Patienten beruht, die bereit sind für ihre Gesundheit viel Geld auszugeben.