Seit drei Jahren schreiben Sarah Gottschalk und Nike van Dinther auf ihrem Blog This is Jane Wayne über Mode, Kultur und Gefühle. Von Anfang an war die Website, die unkonventionell über Trends und Stimmungen berichtet eine Erfolgsstory. Seit 2013 ist der Blog Partnerseite der deutschen Vogue. Was bewegt das Blogger-Team, das aus Mönchengladbach kommt?
standpunkt — Im letzten Monat hat euer Blog ‚This is Jane Wayne unglaublich viele Aufrufe verzeichnet. Wie waren eure Anfänge?
nike van dinther — Spannend und schön und überhaupt nicht gigantisch! Wir haben ganz miniklein angefangen. 2010, als Jane Wayne gerade geboren wurde, da haben wir noch in zehner Schritten gerechnet. Inzwischen denkt man eher in hunderter Schritten oder freut sich über 1000 neue Leser. Eigentlich bescheuert, aber so sind wohl die Menschen: Wie die Raupe Nimmersatt.
Sarah: Am 01. Oktober 2010 saßen wir das erste Mal an unserer Seite, am 18. Oktober sind wir online gegangen. Die Anfänge waren nicht weniger arbeitsintensiv als heute – allerdings haben wir länger für alles gebraucht, würde ich sagen.
standpunkt — Wann habt ihr gemerkt, dass ihr gelesen werdet? Was ist eurer Meinung nach Grund eures Erfolges?
nike van dinther — Das mit dem Merken ist eine kniffelige Angelegenheit, weil man ja die meiste Zeit vor dem Laptop hockt. Da kommt niemand und klopft dir auf die Schulter, weil er gerade einen Artikel gelesen hat. Deshalb ist unsere Kommentarfunktion ziemlich wichtig, oder auch die Facebook-Likes. Sonst fühlt man sich, als würde man ins Leere schreiben. Wirklich realisieren kann man das Ausmaß aber trotzdem nur sehr schwer. Das ist aber wahrscheinlich auch gut so, sonst würde man Ende noch verrückt werden.
sarah gottschalk — Ganz genau. Außerdem schreibt man für zehn Leser ebenso gern wie für 10000. Das Produkt steht im Vordergrund – ganz egal, wie viele Leute davon nun Wind bekommen.
standpunkt — Ihr seid kein typisches Verlagsprodukt sondern ein Online-Projekt, das ohne Hilfe funktioniert. Wie regelt Ihr das vor allem auf der technischen Ebene?
sarah gottschalk — Mit ziemlich dicken Freunden. Wir haben uns in unserem Freundeskreis glücklicherweise ein Paar Spezis herum schwirren. Und wenn’s um’s Design geht oder irgendetwas zu kniffelig ist, greift uns „Floor 5“ unter die Arme, genau wie Jens Ludewig.
standpunkt — ‚This is Jane Wayne‘ ist in der Reihe der deutschen Mode-Blogs eine Ausnahme. Ihr habt seit diesem Jahr die VOGUE als Partner an eurer Seite.
sarah gottschalk — Das macht uns jetzt selbst auch ein bisschen sprachlos. Die Anfrage von der Vogue kam ziemlich plötzlich und unerwartet. Allerdings macht es uns super stolz, dass ein solch etabliertes Medium wie die Vogue unsere Arbeit schätzt und uns in ihrem Netzwerk dabei haben wollte.
standpunkt — Was hat ein großes Magazin wie die VOGUE davon, dass er euch als relativ unabhängige Mode-Bloggerinnen als Partner nimmt?
sarah gottschalk — Man darf nicht vergessen, dass Blogs und auch Soziale Medien für viele tatsächlich noch „Neuland“ sind – das darf man nicht unterschätzen. Vogue bzw. Condé Nast öffnet sich demnach einem neuen Markt und erkennt das Potential vieler Schreiberlinge. Es geht sicher um ein moderneres Image und um gegenseitigen Support. Denn am Ende profitieren beide voneinander.
standpunkt — Wie reagiert die Szene auf Bloggerinnen wie euch?
nike van dinther — Ich glaube, manche finden uns ziemlich banane und andere mögen uns gerade weil wir so banane sind. Von den meisten Bloggern, Magazinen und Agenturen bekommen wir sehr lieben Support, aber es gibt natürlich auch Skeptiker, die es lieber hätten, wenn wir mal den Mund halten würden. Ich glaube, das lässt sich nicht vermeiden. Man kann es nicht allen gleichzeitig recht machen und dann ist da ja noch die furchtbare Sache mit der Konkurrenz. Die bekommt manch einer nämlich partout nicht überwunden.
standpunkt — Inwiefern hat eure Arbeit die der klassischen Modejournalisten schon beeinflusst?
nike van dinther — Um das jetzt adäquat zu beantworten, müsste ich mich bestimmt ziemlich weit aus dem Fenster lehnen. Ich sage mal vorsichtig: Ich denke die Arbeit von Bloggern tut allen gut. Es gibt schlichtweg mehr Konkurrenz, deshalb kann sich niemand mehr auf seinen Lorbeeren ausruhen. Die Branche befindet sich in einem stetigen Wandel und muss aufgeschlossen gegenüber neuen Tendenzen bleiben. Und wenn man sich Modemagazine anschaut, dann sieht man ganz schnell, dass das Internet zu einer ziemlich wichtigen Inspirationsquelle geworden ist, wie auch Blogs. Suzy Menkes, eine der bekanntesten, hat allerdings die Nase voll: Vor allem das „Streetstyle-Schaulaufen“ während der Fashion Weeks geht ihr gehörig auf die Nerven.
standpunkt — Hast Du das Gefühl, die Designer nehmen euch inzwischen so ernst wie eure Printkolleginnen?
sarah gottschalk — Das kommt ganz auf den Designer an. Wirklich. Es gibt solche und solche. Aber ich glaube, so langsam müssten auch die letzten Kritiker begriffen haben, dass Blogger extrem viel Power besitzen.
standpunkt — Sind Mode-Blogs tatsächlich unabhängiger als gedruckte Modemagazine?
nike van dinther — Ganz klare Kiste. Ich kann selbst entscheiden, worüber ich schreibe, mit wem ich Kooperationen eingehe oder nicht. Es sitzt mir ja kein Anzeigenkunde oder Chef im Nacken, der gern hätte, dass ich Produkt A in die Fotostrecke einschleuse oder Produkt B in den Shopping-Tipps erwähne, damit das Geld schön weiter fließt. Und wenn ich mich weigere über Prada zu schreiben, weil die Helden wieder Pelz verwendet haben, dann ist das ok. Wenn ich trotzdem drüber schreibe, aber mich öffentlich darüber aufrege, dann ist das auch ok. Was nicht bedeutet, dass sie Arbeit bei einem gedruckten Modemagaziner uninteressanter wäre – gar nicht, nur anders eben.
standpunkt — Was zeichnet Euch Eurer Meinung nach von anderen Modeblogs insbesondere aus?
sarah & nike — Wir haben ein Credo: „Was stimmt, darf man sagen“. Und: Wir tragen keine Scheuklappen. Es gibt noch so viel mehr als Mode, so viel Wichtigeres, aber nur wenig Schöneres. Deshalb beleuchten wir die wunderbarste Nebensache der Welt aus vielen verschiedenen Perspektiven. Mode ist kein reines Konsumgut, sondern ein gesellschaftliches Phänomen, das es vermag, uns gleichermaßen glücklich wie wahnsinnig zu machen. Und dann gibt es da noch unsere Liebe zur Musik und dem geschriebenen Wort. Die freundschaftliche Liebe zu einander und zum Leben an sich und all die Fragen, die jungen Menschen im Kopf herum schwirren. Bündelt man alles, kommt „Jane Wayne“ dabei heraus.
standpunkt — Sind die meisten eurer Leser mittlerweile noch aus dem deutschen Bereich oder größtenteils international vertreten?
sarah gottschalk — Die meisten Leser kommen aus Deutschland – Österreich und die Schweiz sind auch sehr stark vertreten. Rund 15 Prozent kommen allerdings noch aus der ganzen Welt dazu.
standpunkt — Ihr seid sehr offen, was Kritik angeht, aber zugegeben, es ist wirklich nur eure ehrliche Meinung. Fühlen sich Mode Labels nicht manchmal angegriffen?
nike van dinther — Ja, bestimmt! Mir persönlich tut das dann auch immer ein bisschen Leid. Kritik üben macht mir nur wenig bis keinen Spaß, weil ich ja selbst auch ständig damit umgehen muss. Es geht niemals darum, jemanden bloß zu stellen, bloß weil uns zum Beispiel irgendwas Optisches an einer Kollektion nicht gefällt. Das wäre ja großer Quatsch. Wir meckern nur dann, wenn der Ärger über unser persönliches Empfinden hinaus geht. Wenn es einen wahrhaftigen Grund gibt. Miese Produktionsbedingungen zum Beispiel. Du spielst ja sicherlich auf den „Ich hasse Zara“ Text an – hierbei ging es uns vor allem um eine offene Diskussion und genau das ist uns, wenn auch mit ein wenig Provokation, geglückt. So ein großer Konzern kann das auch mal ganz gut ab. Über „echte Menschen“ würde ich so etwas nicht einmal für Geld sagen. Außer über Terry Richardson, den Perversling.
standpunkt — Wie viel Einfluss hat dieser Blog auf euer Leben? Ist das Führen eures Blogs sehr zeitaufwendig?
sarah gottschalk — Unser Blog und unser Leben verschmilzen dann und wann schon mal gern miteinander – zum Beispiel dann, wenn wir am Wochenende in einer anderen Stadt waren, wenn wir uns einen Film angesehen haben, den wir unbedingt teilen möchte oder eine Ausstellung in der Nähe nicht verpasst werden sollte. Man muss sich allerdings auch manchmal auf die Finger hauen, Dinge nur für sich tun und nicht irgendwas veranstalten, damit man Content für den Blog hat. Das kann eine ganz schön schwierige Angelegenheit sein, aber sollte dann und wann umgesetzt werden. Dennoch wäre es falsch zu behaupten, dass wir alles auf Jane Wayne teilen. Dann wären unsere Leben nämlich ganz schön Eindimensional.
standpunkt — Habt ihr spezielle Zielwünsche oder werdet ihr der Zukunft einfach ihren freien Lauf lassen und sehen, wohin das führt?
sarah gottschalk — Konkrete Ziele gibt es nicht, denn wir haben es uns abgewöhnt, beruflich an Übermorgen zu denken und gehen lieber offen und flexibel mit Veränderungen um. Das Geschriebene Wort soll allerdings immer im Mittelpunkt stehen oder die Zusammenarbeit mit spannenden Menschen. Wie das aber genau aussehen soll, wissen wir im Moment noch nicht. Und das ist ja auch das Aufregende an unserem Job, nicht wahr?
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