Die Hoffnung ist größer als die Angst

Seit Jahrzehnten galt Polen als Auswanderungsland. Mit der Ukraine-Krise ändert sich das – gegen den Willen der Regierung?

Die Hoffnung ist größer als die Angst from GLOCAL FILMS on Vimeo.

Der Herbst bricht an. Nach dem goldenen Sommer 2014 wollen es einige, wichtige Politiker im Bundestag noch nicht wahrhaben, dass nun komplizierte Zeiten anstehen. Es ist der Herbst der ankommenden Flüchtlinge. Willkommenskultur breitet sich aus, Kanzlerin Merkel verkündet die kurzfristige Aufhebung europäischen Asylrechtes und ebnet den Weg für eine Politik der moralischen Überlegenheit, wie es später heißen wird. Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsgebiet Syrien oder dem von Krisen und Terror gezeichneten Afghanistan suchen Schutz vor Verfolgung – in Deutschland wie in Europa.

Was aus deutscher Sicht und der von Bundeskanzlerin Merkel als „alternativlos“ gilt, sehen nicht alle in Europa so. Die Flüchtlingspolitik der offenen Grenzen bekommt Risse. Nachdem Ungarn sich einer Aufnahme von Flüchtlingen verweigert, folgt auch Polen. Der östliche Nachbar am Rande der Ukraine galt sehr lange als Auswanderungsland. Nach dem Zweiten Weltkrieg verschoben sich die Grenzen des polnischen Staatsgebietes, zahlreiche Aussiedler verließen das Land in Richtung Westen. Heute wird Polen seit fast zwei Jahren von der nationalkonservativen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) regiert. Nationalistische Töne und eine restriktive Einwanderungspolitik bestimmen den Ton der Politik. Die Zeichen stehen auf Abschottung.

Doch stimmt das? Nur bedingt. Seit der Ukraine-Krise reisten viele Ukrainer aus den Kriegsgebieten im Osten nach Polen und stellten Anträge auf Asyl. Die Regierung nimmt ukrainische Flüchtlinge bereitwillig auf. Nachdem hochqualifizierte, polnische Arbeitskräfte in die wirtschaftlich attraktiven Länder des Westens abgewandert sind, mangelt es Polen an Arbeitskräften im eigenen Land. Ukrainische Migranten kommen der Regierung gerade recht. Das Problem: Oft bekommen eingewanderte Ukrainer unterbezahlte Jobs, die von polnischen Arbeitern nicht angenommen werden. Ein Nährboden, der wie gemacht zu sein scheint für soziale Unruhen und Ressentiments, wie sie auch von der polnischen Regierung geschürt werden.

Nach außen bekräftigt die PiS-Regierung mit ihrer scharfen Rhetorik das Bild eines unkooperativen Partners. Die europäische Solidarität bei der Flüchtlingsfrage wird von der Regierung nicht mitgetragen. Wie aber steht die polnische Bevölkerung zu Fragen der Einwanderung und Integration von Flüchtlingen? Unsere Schüler Max Bohmer und Lea Szukalla haben nachgefragt. Mit einem internationalen Team reisten sie nach Lubin in Polen, um den Ursprüngen der Flüchtlingsthematik auf den Grund zu gehen. Auf der Reise in ein Land, das Stolz und Vorurteile ebenso vereint wie die Hoffnung auf Wandel.

„Entwurzelt“ ist im Kontext des trilateralen Projektes „Flüchtlinge – damals und heute“ entstanden, in dem Jugendliche aus der Ukraine, Polen und Deutschland gemeinsam Filme produzieren.

Dieses historischen Werk lenkt seine Aufmerksamkeit auf die Umsiedlungen in Osteuropa in den 40er Jahren, mit speziellem Augenmerk auf die Aktion Weichsel, einer Zwangsumsiedlung ethnischer Ukrainer, Bojken sowie Lemken aus dem Südosten der Volksrepublik Polen in den Norden und Westen des Staatsterritoriums (den sogenannten wiedergewonnenen Gebieten).

Neben Passanten auf der Straße wurde Prof. Dr. Ruth Leiserowitz, Stellvertretende Direktorin des Deutschen Historischen Instituts in Warschau sowie Anna Dabrowski von Menschenrechtsorganisation Homo Faber interviewt.

“Die Hoffnung ist grösser als die Angst” ist im Kontext des trilateralen Projektes „Flüchtlinge – damals und heute“ entstanden, in dem Jugendliche aus der Ukraine, Polen und Deutschland gemeinsam Filme produzieren.

Mit diesem Film ist den Jugendlichen ein komplexes multivokales Werk über die derzeitige polnische Flüchtlingspolitik gelungen. Wie auch im historischen Film „Entwurzelt“, spielt hier die unterschiedliche Sichtweise der 3 Länder auf ein Thema eine große Rolle. Philosophisch hört man dann die Einigkeit der jungen Stimmen in ihrer Analyse von Ausgrenzung und Integration.

FLÜCHTLINGE DAMALS UND HEUTE:

Was bringt einen Menschen dazu, seine Heimat zu verlassen? Wie wird die Fluchterfahrung erlebt? Wie das Ankommen? Wodurch unterscheiden sich Migrationsbewegungen in der Vergangenheit von Flucht und Vertreibung heutzutage?

Mit diesen und ähnlichen Fragen beschäftigt sich eine Gruppe von 21 Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine, Polen und Deutschland. In jedem der drei Länder trifft sich die Gruppe um innerhalb von einwöchigen Workshops jeweils einen historischen und einen kontemporären Film zum Thema Flucht zu drehen.

Ziel des Projektes ist, dass sich SchülerInnen anhand des Mediums Film mit Menschenrechtsthemen wie Diskriminierungs- und Benachteiligungsverboten am Beispiel der historischen und aktuellen Thematik der Flüchtlingsbewegungen auseinandersetzen. Die TeilnehmerInnen ergründen Mechanismen der Ausgrenzung, die sie in Gesprächen mit Experten und Zeitzeugen aus den drei Ländern und Flüchtlingen exemplifizieren.

Das Projekt das von Glocal Films initiert wurde, wird vom Goethe-Institut in Kooperation mit dem Deutschen Youth For Understanding Komitee e.V. organisiert und durchgeführt. Es wird aus Mitteln des Auswärtigen Amts zum Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland gefördert sowie der Stiftung deutsch-polnischer Zusammenarbeit.

Fotos: Glocal Films

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