GESELLSCHAFT

Etwas Besseres als den Tod findet man immer.

DSCF6248Kein Märchen, sondern die Motivation vieler Menschen damals und heute, ihre Heimat zu verlassen. Flucht ist kein neues Phänomen, im Gegenteil. Seit Beginn der Menschheitsgeschichte gibt es stets Verfolgung und Flucht auf der einen und Schutz und Asyl auf der anderen Seite.

Darauf kamen die drei Landesflüchtigen an einem Hof vorbei, da saß auf dem Tor der Haushahn und schrie aus Leibeskräften. „Du schreist einem durch Mark und Bein“, sprach der Esel, „was hast du vor?“ „Da hab ich gut Wetter prophezeit“, sprach der Hahn, „weil unserer lieben Frauen Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemden gewaschen hat und sie trocknen will; aber weil morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen und hat der Köchin gesagt, sie wollte mich morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, solang ich noch kann.“ „Ei was, du Rotkopf“, sagte der Esel, „zieh lieber mit uns fort, etwas Besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musizieren, so muß es eine Art haben.“ Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen, und sie gingen alle viere zusammen fort. (Quelle: „Kinder- und Hausmärchen“ Brüder Grimm, Die Bremer Stadtmusikanten)

In dem trinationalen Filmprojekt zum Thema „Flüchtlinge – damals und heute“ hat der Verein YFU gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt und dem Goethe-Institut einen Wettbewerb zu einem internationalen Filmworkshop für insgesamt 21 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine, Polen und Deutschland  ausgeschrieben. Lea Szukalla und Max Bohmer aus der Stufe 12 haben mit ihren Aufsätzen zwei der begehrten sieben deutschen Plätze gewonnen und werden nun vom 23.04.-30.04. in der Ukraine, vom 25.06.-02.07.2017 in Polen und vom 21.10.-28.10.2017 in Deutschland mit einem trinationalem Team (jeweils sieben ukrainische, polnische und deutsche SchülerInnen) zusammenkommen und gemeinsam Filme zum Thema „Flüchtlinge – damals und heute“ produzieren. Das zentrale und verbindende Thema ist die länderübergreifende Verknüpfung der Flüchtlingsbewegungen der Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und heute.

Vertreibung und Flucht, damals und heute, da gibt’s keine Unterschiede. Wenn sich Heimatvertriebene im Zweiten Weltkrieg und Flüchtlinge aus heutigen Krisengebieten über ihre Erfahrungen austauschen ähneln sich ihre Geschichten. Ob die beschwerliche Flucht über die Elbe oder über das Mittelmeer ging – das Leid der Flüchtenden ist das gleiche. Schülerinnen und Schüler der Stufe 10 der Gesamtschule Hardt haben während einer Reise nach Krakau Erinnerungsstätten besucht und darüber eindrucksvoll auf der Schulhomepage berichtet. (Fotos Bernadette Schmitz)

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Auf Grund der Geschichte sind die deutschen Heimatvertriebenen für das Schicksal der heutigen Flüchtlinge sehr sensibilisiert, da sie die Flucht am eigenen Leib miterlebt haben. Der Unterschied ist jedoch, dass sie innerhalb eines Landes vertrieben wurden. Die Menschen waren Angehörige einer Nationalität, sprachen eine Sprache, und lebten in ähnlichen Religionsgemeinsschaften. Und sie teilten das gemeinsame Schicksal eines verlorenen Krieges. Die Flüchtlinge und die Menschen in West- und Mitteldeutschland hatten damals einem Kulturraum angehört. Heute kommen viele Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder dem Irak.

Hier ist die fehlende gemeinsame Sprache, die fehlende gemeinsame kulturelle Identität die größte Herausforderung für ein verständnisvolles Mitgefühl und Motivation zur Integration auf allen Seiten. Auch wenn heute nur 1 Million Flüchtlinge den damals 14 Millionen Flüchtlinge gegenüberstehen, ist Herausforderung heute tausendmal schwieriger als Damals.

Aber es gibt auch Parallelen des heutigen Fluchtgeschehens zu 1945.

So sei das „ambivalente Gefühl“ der Einheimischen gegenüber den Flüchtlingen ähnlich gewesen. Ähnlich sei aber auch laut Aussagen des Historikers Danker, dass z.B. die Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten nie in ihre Heimat zurückgekehrt seien. „Die große Mehrheit der jetzigen Flüchtlinge wird auch bleiben.“ Und auch die gewählten Transportmittel glichen sich: Zug, Schiff und Fußmarsch. Während aber damals Frauen, Alte und Kinder kamen, weil die Männer meist in Gefangenschaft oder gefallen waren, seien es heute mehrheitlich Männer – oft als erste ihrer Familie.

Heute, ein halbes Jahrhundert nach dem Verfassen der Genfer Konvention, steht die Welt vor einem neuen Typ von Fluchtursachen: es sind hauptsächlich ethnisch/religiös motivierte bewaffnete Konflikte. Opfer dieser Kriege sind in der überwiegenden Mehrzahl nicht die Streitparteien selbst, sondern die Zivilbevölkerung.

Vertreibungen sind in den zeitgenössischen Konflikten nicht Folge, sondern Ziel des Krieges. Motive für die Übergriffe auf Zivilisten sind vielfach Verfolgungsgründe im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Menschen werden nicht verfolgt, weil sie zufällig im umkämpften Gebiet leben, sondern weil sie einer bestimmten Religionsgemeinschaft, ethnischen Gruppe oder politischen Überzeugung zugerechnet werden.

Die meisten Kulturen hatten und haben eine Art von Gastrecht oder Asyl, welches sie entsprechend ihren religiösen und politischen Vorstellungen und nationalen Gesetzen gewähren oder nicht gewähren.

Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948 definiert das Recht, „Asyl zu suchen und zu genießen“ als universelles Menschenrecht. Mit der Genfer Konvention 1951 gibt es zwar ein allgemein verbindliches Rechtsinstrument, das festgelegt, wer Flüchtling ist, aber bei der gegenwärtigen Diskussion in Europa sieht man, dass nicht die Genfer Flüchtlingskonvention die Staaten daran hindert, Asyl zu gewähren, sondern der fehlende politische Wille.

Die Unterscheidung zwischen Flüchtlingen und Migranten ist von großer Bedeutung und bestimmt auch die heutige Migrationspolitik. Denn die Definition „Flüchtling“ oder „Einwanderer“ entscheidet darüber, wie Aufnahmestaaten mit den Immigranten umgehen. Dabei richtet sich das Asyl nach dem Kriterium der Schutzbedürftigkeit der betroffenen Person. Wer diese Kriterien erfüllt, hat einen Anspruch auf Aufnahme und Schutz, ungeachtet wirtschaftlicher, sozialer oder politischer Rahmenbedingungen im Aufnahmeland.

Ein Blick auf die Flüchtlingssituation von Sean Level (17 Jahre, EF GE Hardt): 

Flucht. Ein Wort, des Gegensatzes. Flüchte ich aus einer schlechten Welt raus oder in eine gute Welt rein? Ist mein Glas halb leer oder ist es doch halb voll? Es mag zu verharmlosend klingen, eine so simple rhetorische Frage als Redewendung mit der Flüchtlingspolitik beantworten zu wollen. Doch letztendlich ist es doch das, was die Flüchtenden am Leben hält: Ihre Hoffnung. Ihre Hoffnung auf eine bessere Welt, auf ein volleres Glas.

Seit 2015 sind 1,2 Millionen Menschen in unser Land gekommen. Doch nicht nur irgendwelche Menschen; es waren Asylanten. Flüchtende aus anderen Ländern, in denen es keine Möglichkeit mehr gibt, in Frieden zu leben. Mit anderen Menschen, kommen auch andere Kulturen. Nicht nur für die Menschen die kommen, sondern auch für die, die im eigenen Land wohnen, verändert sich Einiges. Ohne Zweifel, eine schwierige Zeit für die Einheimischen.

Ein Drittel der Asylanten in Deutschland sind Kinder und Jugendliche. Eigentlich also ein Wunder, dass ich kein Seiteneinsteiger-Kind persönlich kenne. Doch auch an unserer Schule gibt es sie. Ohne Zweifel, eine schwierige Zeit für die Lehrer.

In Deutschland kann man in Frieden leben. Hier haben wir Menschenrechte. Menschenrechte sind Gesetze, die jedem Menschen ein würdevolles Leben ermöglichen wollen. Jeder Mensch wird mit einem Recht auf die freie Meinung und die Religionsfreiheit geboren. Für einige Flüchtlinge in Deutschland, heißt Religionsfreiheit Vermummung. Ohne Zweifel, eine schwierige Zeit für die Andersreligiösen.

Jeden Tag geschehen unzählige Gewaltverbrechen. Besonders jetzt in der Zeit der Flüchtlingskrise hat die Anzahl an Gewaltverbrechen drastisch zugenommen, so scheint es einem zumindest. Ziemlich viel zu tun, wenn jeder Flüchtling so viel Aufmerksamkeit erregt. Ohne Zweifel, eine schwere Zeit für die Medien.

Doch nach der Jagd nach Aufmerksamkeit bleibt es natürlich nicht. Sie möchten wieder zurück, wieder zurück in ihr Land, in den Krieg. Deswegen verstoßen sie gegen Gesetze, geben sich Mühe aus der Sicherheit, namens Deutschland, rauszukommen. Dies bedeutet eine weitere Abschiebung. Ohne Zweifel, eine schwere Zeit für die Politik.

Unser deutsches Glas ist halbvoll, nicht halbleer. Ich möchte den Menschen, dessen Glas halbleer ist, die Chance geben, ihr Glas halbvoll zu sehen, sodass wir uns irgendwann entschließen, uns zusammenzutun. Zusammen könnten wir ein volles Glas haben, ein volles Leben.

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