GESELLSCHAFT

Perspektive Traumberuf

Das Ergebnisse der Bildungsstudie über das Bildungsniveau von Grundschülern (Studie IQB-Bildungstrends) war vorhersehbar und lässt die Tatsache, dass heute immer mehr junge Menschen beim Übergang in Ausbildung oder Studium scheitern, noch einmal dramatischer erscheinen. Jeder Dritte bricht heutzutage sein Studium oder seine Ausbildung ab. Was könnten die Gründe sein?

Gestern wurden die erschreckenden Ergebnisse der Bildungsstudie der Kultusministerkonferenz über das Bildungsniveau von Grundschülern (Studie IQB-Bildungstrends) veröffentlicht. Ein großer Aufschrei geht durch die Medien. Nach einer Untersuchung der CDU-nahen Konrad Adenauer Stiftung zur „Studierfähigkeit und Ausbildungsfähigkeit“, sieht es aber bei den jungen Menschen, die nach der Schule in eine Berufsausbildung oder ein Studium wechseln, genau so dramatisch aus. Dabei schien es in Sachen Bildung in Deutschland doch erfolgreich zu laufen?

Medienberichten zufolge haben in den letzen Jahren 53 Prozent der Schulabgänger eine Studienberechtigung erreicht, die Jugendarbeitslosigkeit ist mit sieben Prozent auf dem niedrigsten Niveau und das Gymnasium freut sich als beliebteste Schulform über wachsende Anmeldezahlen. Diese Erfolgsmeldungen haben viele Parteien mit ihrer bildungspolitischen Arbeit begründet und im Wahlkampf auf ihre Fahnen geschrieben. Doch die positiven Zahlen täuschen.

Bildungsexperten beklagen, dass trotz besserer Noten auf den Schulabschlusszeugnissen die Kompetenzen der Schüler, die in eine Berufsausbildung oder ein Studium wechseln, immer schlechter werden. Durch das Fehlen dieser Mindeststandards müssen immer mehr Betriebe und Universitäten für die Berufs- und Studienanfänger Schulunterricht nachholen. Das Spektrum der Nachhilfe reicht von Schreibberatung, Texterfassung und -verständnis bis hin zu Brückenkursen in Mathematik. Doch selbst diese Maßnahmen helfen nicht, die stetig steigende Zahl der Studien- und Ausbildungsabbrüche zu verhindern.

Mit 33 Prozent ist der Anteil der Lehrlinge und Studenten, die scheitern, erschreckend hoch.

Für die Wirtschaft, die vor allem über Personalmangel in den sogenannten MINT-Fächern klagt (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), sind die hohen Abbruchquoten gerade auf diesen Feldern alarmierend.

Laut Konrad-Adenauer-Stiftung bringe ein immer größer werdender Teil der Schulabgänger die Kompetenzen, die ihnen auf den Zeugnissen attestiert wurde, einfach nicht mit. Immer mehr Studierende sind den intellektuellen und fachlichen Anforderungen der Studiengänge nicht mehr gewachsen.

Scheinbar liegen die Kompetenzen dieser Studenten irgendwo anders als in der Wissenschaft.

Wie auch bei der aktuellen Studie der Grundschüler liegen auch nach den Schulabschlüssen große Schwächen in der Rechtschreibung und der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit. Bei den Auszubildenden in technischen Berufen und Studenten in den Ingenieurwissenschaften zeigen die Ergebnisse von Eignungsprüfungen gravierende Mängel von Fähigkeiten in Bereichen der Mathematik, die in der Oberstufe von allen erlernt worden sein müssten. Eine Ursache dafür sehen die Autoren der Studie auch in der Problematik der immer heterogener werdenden Lerngruppen. Wurden früher in den Leistungskursen Deutsch und Mathematik einschlägig begabte Schülerinnen und Schüler auf das Universitätsstudium vorbereitet, muss sich der Unterricht heute an den Schwächeren orientieren. Die starke Anwahl der Gymnasien hat auch dort die Standards absinken lassen und erfordert Maßnahmen und zusätzliche Angebote zum Erreichen des Mindeststandards.

Mit der Zentralisierung und Vereinheitlichung der Abschlüsse und der neuen Lehrpläne steht der kompetenzorientierte Unterricht im Vordergrund, sodass die Vermittlung von Fachwissen im Fachunterricht oft zu kurz kommt. So können Schülerinnen und Schüler mit wenig inhaltlicher und fachlicher Kompetenz von der Grundschule über das Gymnasium bis zur Universität „durchkommen“, heißt es in der Studie. Die negativen Folgen werden sich jedoch spätestens beim Übergang in das Berufsleben zeigen.

Medienkompetenz: 1,0 und logisches Denken: 5,0

Inzwischen liegt der Anteil der Studierenden, die zuvor kein Gymnasium besucht haben, bei über 50 Prozent. Hier steht laut Studien hinter der formalen Studienberechtigung oftmals keine tatsächliche Studienbefähigung. Ursache ist der politische Druck in vielen Bundesländern auf die Schulen, gute Notendurchschnitte und niedrige Durchfallquoten zu erzielen. Viele Lehrer beobachten, dass viele Schülerinnen und Schüler heute das Abitur bestehen, das sie früher nie geschafft hätten.

Leistungsverbesserungen zeigen heutige Schülerinnen und Schüler zwar in der medialen Aufbereitung, in Präsentationstechniken und in Fremdsprachen. Dramatisch rückläufig sind aber entscheidende Fähigkeiten wie logisches Analysieren von Texten oder Rechtschreibung.

Vielen Schulabgängern fehlt es zunehmend auch an Sozialkompetenzen. Hochschulen und Betriebe bemängeln immer häufiger eine fehlende Leistungsbereitschaft und Disziplin sowie eine zu geringe Belastbarkeit der Studierenden und Azubis (Umfragen des DIHK).

Wissen ist in einem digitalen Zeitalter jederzeit verfügbar und bequem abrufbar. Daher wird immer weniger Denkleistung in Form von Merkfähigkeit trainiert. Diese Bequemlichkeit hat aber fatale Konsequenzen für das kombinatorische und intelligente Denken. Um logisch und schlussfolgernd denken zu können, muss auf Erlerntes im Kopf zurückgegriffen werden können. Früher war das sture und scheinbar sinnlose Auswendiglernen das Trainingsprogramm. Heute gibt es sicher sinnvollere didaktische Methoden, die die Merkfähigkeit fördern.

Schule wird von Eltern oft als „All-inclusive-Paket“ verstanden

Bei den untersuchten Defiziten handelt es sich um Fähigkeiten, die mit Üben und Wiederholen erworben werden können. Das ist mühselig und in den Elternhäusern fehlt es oft an Unterstützung und konsequenter Begleitung. Die Schule wird dabei immer mehr von Eltern für Erziehungsaufgaben in die Verantwortung genommen und als „Fullserviceunternehmen der Wissens- und Kompetenzvermittlung“ betrachtet. Sie soll ihre Kinder fachlich auf eine erfolgreiche Berufslaufbahn vorbereiten und sie gleichzeitig in sozialen Kompetenzen fit machen.

Erst im Übergang zum Beruf müssen sich Eltern und ihre Kinder mit den Defiziten auseinandersetzen, wenn der Nachwuchs mit den Folgen der Bildungslücken an der Hochschule oder im Betrieb kämpft und aufgibt. Laut Berufsbildungsbericht 2015 der Bundesregierung stieg der Anteil der Azubis, die ihre Ausbildung z.B. im Handwerk abbrechen bei 34 Prozent, also ähnlich wie bei den Studierenden.

Nicht nur Schulen, insbesondere auch die Erziehenden sind mehr denn je gefordert, Jugendliche im konzentrierten, zielgerichteten und selbstständigen Arbeiten zu fördern und sie auch darauf vorzubereiten, Misserfolge zu ertragen. Das erfordert von allen Beteiligten viel Ausdauer und Anstrengung.

Quelle: Die Welt

 

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