Vor 2500 Jahren hat Sophokles das Stück geschrieben. Die Botschaft des Dramas ist dennoch aktuell. Woran glauben, wofür leben wir? Was kann uns Antigone heute zum Thema Menschsein sagen? Die Aufführungen an der Gesamtschule Hardt wurden begeistert gefeiert. Wie bringt man so einen „schweren klassischen Stoff“ auf die Bühne? Auf die Bühne einer Schultheater-Aufführung? Michael Lange, der sich die Aufführungen am 21. und 22. Juni 2018 an der Gesamtschule Hardt angesehen hat, schreibt:
Die Antwort ist ganz einfach – genau so, wie vergangene Woche in der Gesamtschule Hardt geschehen! Und nicht nur dort war die Inszenierung und Umsetzung von Sophokles‘ Tragödie eine Wucht an Emotion, Ausdruck und hochgradiger Schauspielkunst, auch jede andere Bühne wäre stolz gewesen, dies ihrem Publikum anbieten zu können. Einzig – es bleibt leider nur bei diesen beiden Aufführungen, so wie jedes Jahr, ein Höhepunkt im Schulalltag, vom Publikum dankend angenommen und begeistert gefeiert. Zu Recht!
Fotografisch hat Teresa Cousin die beeindruckenden Bilder und Szenen festgehalten.
Handwerklich perfekt vorgetragen, fließend inszeniert und die Zuschauer von Anfang an mitnehmend, präsentierte sich „Antigone“ mit jedem Augenblick des Schauspiels steigernd, dramaturgisch dem Schluss- und Höhepunkt heiß entgegenfiebernd, aber voller großartig eingebauter Klippen, Einwürfe und Untiefen. Wie die Darsteller vollkommen leichtfüßig zwischen ihren Charakteren und sich selbst hin und her schwankten, sich quasi selbst die Bälle zuspielten und so Fiktion und Realität immer wieder kurz aus der Balance brachten, das war wundervoll anzusehen und sorgte bei der Schwere des Themas immer wieder für den so wichtigen erheiternden Moment, löste die starke emotionale Anspannung, bevor der nächste intensive Abschnitt urplötzlich hereinbrach wie ein Wolkenbruch aus heiterem, sonnigem Himmel, ein Gewitter mit mächtigster Kraft.
Dazwischen, mal als Unterstützung des gerade Gespielten, mal als Ankündigung des Kommenden, mal als kurzes Entführen in eine ganz andere Sphäre, absolut wundervolle musikalische Darbietungen. Die großartig aufgelegte Band „Crowded Diary“ als Live-Act direkt auf der Schauspielbühne (auch das ein phantastischer Kunstgriff der Inszenierung!) ebenso wie die hinreißend vorgetragenen Gesangseinlagen einiger Darstellerinnen sorgten für nie dagewesene Gänsehaut-Gefühle und drückten dem intensiven Spiel einen zusätzlichen, stark prägenden Stempel auf.
Nach der Pause nahm die Dramatik des Stückes deutlich zu, jetzt wurden die kurzen erheiternden Momente immer wichtiger, weil die Intensität von Minute zu Minute, von Sekunde zu Sekunde stieg. Starke Dialoge prägten die immer schneller folgenden Szenen, und der reißende Fluss auf den Schluss hin nahm eine solche Fahrt auf, dass man sich nach einem Augenblick des Innehaltens geradezu sehnte, danach lechzte. Indes, dies wurde nicht zugelassen. In einem irren Strudel steigerten sich die letzten Akte derartig, dass beim Schlussbild nahezu blankes Entsetzen herrschte, umhüllt von einem fast unheimlichen Schweigen. Antigone berichtet von ihrem eigenen Tod, von dem Sterben um sie herum, von dem kalten Grab, ihrem Hochzeitsbett, und der unendlichen Einsamkeit. Und dann fällt der Blick auf die hinter ihr stehende Leiter, zwischen deren beiden Teilen das Hochzeitskleid hängt. Und mit einem Schlag bekommt dieses Detail des Bühnenbildes eine unfassbar intensive, schaurige Bedeutung. Wie das Kleid dort hängt, den ganzen Abend schon, blutrot, so hängt sie jetzt dort, Antigone.
Licht, Nebel, Lautstärke der Musik, der Vortrag, alles steigert sich grandios, und dann ist es dunkel. Schlagartig.
„Antigone“ war großartigst inszeniert und umgesetzt, jedes Mitglied des Ensembles und der künstlerischen Leitung hat ebenso wie die perfekt unterstützende Technik und die beteiligten Musiker gezeigt, was Talent, Herzblut, Hingabe und Engagement in der perfekten Mischung bewirken können – jedem Zuschauer einen absolut unvergesslichen Abend zu bereiten, aus dem man Bilder, Eindrücke, Emotionen mitnimmt, die einen noch sehr lange begleiten werden.