Ist Politik überaltert?

Illu: Henry Tschöp (Stufe 9)

Die Zahl der jungen Menschen, die wählen gehen, ist nicht nur im Vergleich zu anderen Altersgruppen gering, sondern nimmt auch immer mehr ab. Ob Themen, die auch die Zukunft der Jugendlichen betreffen, junge Menschen zur Wahl motivieren können, wird die diesjährige Bundestagswahl zeigen.

Laut Bundeswahlleiter lag die Wahlbeteiligung der 18- bis 20-Jährigen bei der Bundestagswahl 2017 bei 69,9 Prozent. Die 21- bis 24-Jährigen kamen nur auf 67 Prozent. Das sind die geringsten Werte im Vergleich aller Altersgruppen.

Noch nie waren die Leute, die zur Wahl gingen, so alt.

Trotz Jugendbewegungen wie „Fridays For Future“ oder „Extinction Rebellion“, scheint die Wahlmotivation der Jugendlichen nicht zu steigen. Bei allen Bundestagswahlen von 1953 bis 2017 waren die jungen Altersgruppen immer die, die sich am wenigsten beteiligt haben und bei der letzten Bundestagswahl waren sogar mehr als die Hälfte der Wählenden über 52 Jahre alt.

Nur bei der Europawahl 2019 war die Wahlbeteiligung mit 50,6 Prozent so hoch wie seit 1994 nicht. Bei den unter 25-Jährigen stieg die Wahlbeteiligung im Vergleich zu der vorherigen Wahl um 14 Prozent und bei den 25- bis 39-Jährigen um 12 Prozent.

Ursächlich könnte dafür die Bewerbung der Europawahl mit großen Kampagnen für die „Zukunft Europas“ gewesen sein. Politisch engagiert zu sein wurde zur Selbstverständlichkeit und viele wollten zeigen, dass sie den europäischen Gedanken unterstützen. Insbesondere in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München, Köln und Stuttgart war der Trend erkennbar und die Wahlbeteiligung lag dort bei über 60 Prozent.

Die Bundestagswahl am 26. September wird zeigen ob die aktuellen Themen und die globalen Krisen die jungen Menschen an die Wahlurnen bringen werden.

Ob in der Politik die Interessen von jungen Menschen ausreichend berücksichtigt werden, wird von Jugendlichen eher verneint, weil die Politik Ihrer Meinung nach auf Ü60-Wähler ausgerichtet ist und es mehrheitlich um Themen wie Pflege oder Rente geht. Viele junge Erwachsene gehen zum Beispiel davon aus, dass ihre Generation kaum gesetzliche Rente bekommen wird und plädieren für ein Grundeinkommen. Die Parteien aber sprechen derzeit vor allem die Älteren an und das ist auch die Generation der Politiker.

Tatsächlich steigt in Deutschland der Anteil älterer Wähler immer weiter. Bei der Bundestagswahl am 26. September ist 57,8% der Wahlberechtigten über 50 Jahre alt. Die Jungen werden bei Bundestagswahlen aber immer weniger: 1961 waren 19,4 Prozent der Wahlberechtigten unter 30 Jahre alt – jetzt sind es noch 14,4 Prozent.
Auch wenn statistisch gesehen Politik wirklich überaltert ist, muss die junge Generation Einfluss nehmen auf die Gestaltung ihrer Zukunft und wählen gehen.

Demokratie ist nicht selbstverständlich.

Oft wird vergessen wie konfliktreich die Geschichte Europas war und wie in Polen und Ungarn mit Rechtsstaatlichkeit umgegangen wird. Eine Gefahr für die Zukunft sind auch populistische Strömungen wie in Frankreich und den Niederlanden, die verhindert werden müssen. Die einfachste Möglichkeit, sich demokratisch einzubringen, ist wählen zu gehen. So vertraut das klingt, so wenig sind allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen eine Selbstverständlichkeit: Unser Wahlrecht ist ein hart erkämpftes Gut, dessen Wert manchmal unterschätzt wird.

10 gute Gründe zu wählen 

1. Weil es mein Recht und Privileg ist! Nur das Volk kann seine Vertreterinnen und Vertreter entsenden. Dank Artikel 20 des Grundgesetzes kann jede und jeder Wahlberechtigte aktiv an der Demokratie mitwirken. In vielen Ländern ist das nicht selbstverständlich. Ich sollte mein Recht auf Mitbestimmung über die Volksvertretung daher nutzen.
 
2. Weil jede Stimme zählt! Die Entscheidung, wer das Land regiert, kann von wenigen Stimmen abhängen — im Zweifel genau von meiner. Meine Stimme kann meiner Partei an die Macht verhelfen und diese somit Deutschland in meinem Sinne gestalten. Meine Stimme ist wichtig.
 
3. Weil andere entscheiden, wenn ich nicht wähle! Werden Stimmen nicht abgegeben, gehen sie verloren. Gehe ich also nicht wählen, werden andere entscheiden, wer mich vertritt. Wenn ich selbst entscheiden will, wer regiert, muss ich wählen.
 
4. Weil Wählen mich vor Extremismus schützt! Wer nicht wählt, erleichtert es extremistischen Strömungen, einen größeren Einfluss auf unsere Gesellschaft und die Politik zu bekommen. Eine hohe Wahlbeteiligung und dadurch auch meine Stimme kann das verhindern.
 
5. Weil Nichtwählen aus Protest nicht funktioniert! Will ich einer Partei einen Denkzettel verpassen, indem ich nicht wähle, funktioniert das nicht. Meine Stimme fällt einfach unter den Tisch. Wähle ich hingegen, kann ich eine Partei klar der anderen vorziehen.
 
6. Weil Wählen heißt, Verantwortung zu übernehmen! Die Politik entscheidet heute über viele Themen von morgen. Junge Menschen werden sich mit aktuellen Entscheidungen noch lange beschäftigen. Wenn ich heute darauf verzichte zu wählen, verzichte ich auch darauf, meine eigene Zukunft mitzugestalten.
 
7. Weil ich aktiv die Politik beeinflussen kann! Mit meiner Stimme nehme ich Einfluss auf die Politik. Die Poltik wiederum nimmt Einfluss auf wesentliche Fragen des Alltags. So kann ich alleine schon durch meine Stimmabgabe die Politik aktiv beeinflussen.
 
8. Weil auch ungültige Stimmzettel zählen! Lieber einen ungültigen Stimmzettel abgeben als gar nicht wählen zu gehen — denn ungültige Stimmen zählen in die Wahlbeteiligung hinein. Ein hoher Anteil ungültiger Stimmen setzt ein symbolisches Signal: Das Politikinteresse ist da, aber die Parteien oder Kandidatinnen und Kandidaten schaffen es nicht, die breite Bevölkerung zu repräsentieren.
 
9. Weil Wählen Bürgerpflicht ist! Niemand ist gezwungen, zur Wahl zu gehen. Ich habe die Freiheit dazu — und sollte sie nutzen. Eine niedrige Wahlbeteiligung zeigt Desinteresse an der Politik und könnte zur Wahlpflicht führen. Und viel wichtiger: Eine Demokratie kann nur dauerhaft bestehen, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger an ihr beteiligen. Außerdem ist unsere Regierung dadurch legitimiert, dass möglichst viele sie gewählt haben.
 
10. Weil ich beeinflusse, wer Bundeskanzler:in wird! Der mit meiner Stimme gewählte Bundestag wählt die Bundeskanzlerin bzw. den Bundeskanzler. Mit meiner Stimme entscheide ich also mit, welche Partei die Person stellt, die in der nächsten Legislaturperiode die Regierungsgeschäfte führt, die Bundesminister:innen bestimmt und die Leitlinien der Politik verantwortet.

Quelle: https://www.bundestagswahl-bw.de/warum-waehlen