GESELLSCHAFT, OUT NOW

Das Handwerk ist ein wichtiger Motor für Wachstum und Wohlstand in Deutschland. 

Ob beim Einbau von Wärmepumpen, klimaeffizienten Sanieren von Wohnungen oder Hausbau: Handwerker hierzulande sind meist knapp oder gar nicht zu bekommen. Das könnte sich noch verschärfen. Einer am Montag erschienenen Studie zufolge, sind nur 10 Prozent der Befragten in Deutschland in einem Handwerksberuf tätig und 18 weitere Prozent haben je über eine Laufbahn in der Branche nachgedacht. Das sei der niedrigste Wert aller 17 untersuchten Länder.
Collagen d.voll

Viele junge Menschen entscheiden sich in Deutschland anstelle einer Ausbildung für ein Studium an einer Fachhoch- bzw. Hochschule. Im internationalen Vergleich ziehen also hierzulande nur relativ wenige Menschen einen Handwerksberuf in Betracht. Das ist das Fazit einer Studie, die im Auftrag von 3M von dem Marktforschungsinstitut Ipsos in 17 Ländern mit jeweils rund 1000 Befragten zwischen September und Dezember 2021 durchgeführt wurde. Staaten wie Deutschland, Frankreich, die USA, Großbritannien, Brasilien, Indien und Mexiko nahmen daran teil. Fast drei Viertel der Befragten (72 Prozent) gaben demzufolge an, sie seien nicht im Handwerk tätig und hätten auch nicht darüber nachgedacht, eine handwerkliche Ausbildung anzustreben zu machen.

Diese klare Tendenz beklagt auch das Handwerk selbst. Erst Ende Juli hatte Handwerks­präsident Hans Peter Wollseifer angesichts des Fachkräftemangels eine „Bildungswende” in Deutschland gefordert. Geschätzt fehlen jetzt bereits ca. 250.000 Fachkräfte im Handwerk. Das hatte Wollseifer im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa geäußert.

„Unsere Betriebe bieten schon seit Jahren Tausende Ausbildungsplätze und damit Ausbildungschancen an, die aber nicht genutzt werden”, äußerte Wollseifer im Interview. „Wir müssen weg von der Vorstellung, dass nur ein Studium beruflichen und persönlichen Erfolg bringen kann, und hin zu mehr Anerkennung und Wertschätzung der beruflichen Bildung.”

Und damit setzt sich ein Trend fort, der die zukünftigen Ziele auch in der Energiewende zumindest gefährden könnte. So z.B., wenn für den vermehrten Einbau von Wärmepumpen die entsprechenden Installateure fehlten.

Die aktuelle Studie der Firma 3M belegt diese Entwicklung. Ein bedeutendes Fazit der Studie ist, dass nur wenige Menschen einen Handwerksberuf in Betracht ziehen. Vor allem glauben nur 49 Prozent der Befragten in Deutschland, dass sie mit einer solchen Ausbildung ähnlich gut verdienen könnten wie mit einem Beruf, der ein vierjähriges Universitätsstudium erfordert. Dieser Aussage stimmten 14 Prozent voll zu. Und 35 Prozent stimmten dem eher zu. Das ist der niedrigste Wert im Vergleich mit den teilnehmenden Ländern. Global waren es zusammen nämlich 71 Prozent.

Dabei fehlt es offenbar nicht an der Wahrnehmung von Chancen im Handwerk: 87 Prozent der Befragten sehen in der Branche viele Jobmöglichkeiten, das sind etwas mehr als im weltweiten Schnitt. 53 Prozent gaben aber an, sie verfolgten andere berufliche Interessen. 20 Prozent bezweifelten, dass sie damit genug Geld verdienen würden.

Ist das die Folge der jahrelangen These, dass nur eine akademische Ausbildung die Basis für die gesunde Weiterentwicklung des einzelnen als auch der Gemeinschaft garantiert? Oder fehlt hier nur eine hinreichende Aufklärung über die wirklichen Verdienstmöglichkeiten im Handwerk?

Oder hat sich in den letzten Jahren das Schulsystem so enorm verbessert, dass immer mehr Schüler*innen die Voraussetzungen erzielen, eine akademische Laufbahn einzuschlagen?

Es gilt immer noch, dass ein möglichst guter Schulabschluss bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt ermöglicht, sowohl bei der gesellschaftlichen Teilhabe und der Gestaltung der individuellen Lebensführung. Ein hoher Bildungsstand stärkt ebenso die Innovationskraft einer Volkswirtschaft und ein hohes Bildungsniveau ist eine wesentliche Grundlage für Wirtschaftswachstum.

Die Folge ist, dass jeder ein optimales Ausbildungsniveau anstrebt. Und das ist in den Augen der meisten eine abgeschlossene, akademische Laufbahn.


Quellen: Statistisches Bundesamt, Handelsblatt, 3M, dpa