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Lernen auf Distanz und die Sehnsucht nach dem alten Schulalltag

Jaron Riedl über das Gespräch zwischen Oberstufenschülerinnen und -schülern der SoWi Kurse der Gesamtschule Hardt und dem Landtagsabgeordneten Jochen Klenner. Die Videokonferenz fand am Freitag, dem 5. Februar statt.

„Es gibt Freunde von mir, die sich nicht mehr trauen ihr Tablet anzuschalten, aufgrund der vielen Aufgaben, die auf sie warten“. Das war nur eine von vielen Aussagen, mit denen die Gesprächsteilnehmer:innen den 42-jährigen Landtagsabgeordneten Jochen Klenner konfrontierten. Aber es wurde sich auch ausgetauscht über neue Arbeitsanforderungen während des Lockdowns, die auch einem Politiker im Homeoffice schwerfallen.
Die Sozialwissenschaftskurse der Oberstufe hatten sich auf Anfrage des Politikers zu einem digitalen Gespräch zum Thema Schule auf Distanz, Lernen zu Hause und der Alltag von Jugendlichen in Pandemiezeiten per Zoom verabredet.

Ein Gesprächsrückblick von Jaron Riedl

Vor Beginn des Meetings ließ Herr Klenner die Moderatorinnen Lara Mund und Marie Sophie Neumann wissen, dass er für digitale Meetings oft nur ‚oben rum‘ förmlich gekleidet sei und ansonsten lieber eine Jogginghose trage. Dieser Freitag sei jedoch für ihn ein analoger Arbeitstag im Landtag, sodass er zur Enttäuschung der Zuhörer auf seine Jogginghose verzichten müsse.
Die Schulleiterin Susanne Kölling begrüßte die Runde und die Moderatorinnen führten durch ein Gespräch mit etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Jochen Klenner in der Videoschalte mit den Schülerinnen und Schülern der GE Hardt

„Wie klappt es mit dem Distanzlernen und wie kann die Politik es noch mehr unterstützen?“
Mit dieser Frage des Politikers fühlten sich die Schüler:innen direkt ernst genommen und konnten ein Gespräch auf Augenhöhe führen.
Die Antwort der Schüler:innen der Gesamtschule Hardt war eindeutig ein „Kommt drauf an“. Vieles wäre abhängig von den Lehrern. Manche Lehrer:innen wären sehr engagiert und von anderen wünsche man sich mehr Einsatz.
Ein grundlegendes Problem schien mangelnde Absprache zwischen Lehrer:innen und Schüler:innen zu sein. Aber auch die neue Selbständigkeit, die jetzt von jedem einzelnen abverlangt würde, stelle viele vor Probleme.
Die Schüler:innen und der Politiker waren sich einig, dass Homeoffice und Homeschooling Abwechslung in den Aufgabenstellungen bräuchten, damit man länger konzentriert und motiviert arbeiten könne.
Vor Corona zählte zur ‚Hausarbeit’, dass zu Hause nur das in der Schule erworbene Wissen vertieft und eingeübt wurde. Heute käme die selbstständige Wissensaneignung dazu. Unterstützung dabei gäbe es nur im Unterricht auf Distanz. Und damit seien einige von ihnen überfordert.
Fehlende Pausen, die man bei der Fülle der anstehenden Aufgaben nicht mehr einhalten könne, verstärken die Ermüdungserscheinungen, die insbesondere bei der langen Bildschirmarbeit auftreten. Manchen Schüler:innen fehle einfach auch die Motivation, die sie im normalen Schulalltag durch die Konkurrenz und ihre Freunde in der Schule erhielten.
Dazu käme die Angst und die Ungewissheit darüber, wie viel der eigene Schulabschluss am Ende noch wert sei.
Einige Gesprächsteilnehmer:innen sorgten sich um den Verlust ihrer Freundschaften und Kontakte, die sie durch das Social Distancing nicht mehr pflegen könnten.

Es wurden aber auch gegensätzliche Erfahrungen von Schüler:innen ausgetauscht. So ist es keineswegs für alle ein Problem, sich zu konzentrieren und die Freizeit zurzeit nur online mit Freunden verbringen zu können.

Herr Klenner schloss sich der Meinung an, dass es schwierig sei, den Tag zu strukturieren, wenn man zu Hause arbeiten müsse. Ihm selbst fiele es oft auch sehr schwer, dem Tag ein Ende zu setzen. Ebenfalls fehle ihm wie den Schüler:innen die Ablenkung durch Hobbys und der Abgleich der eigenen Leistung im analogen Arbeitsalltag.
Auf die Frage aus der Schülerschaft, wie denn die Qualität seiner Pausen sei, antwortete Herr Klenner, dass auch er damit Schwierigkeiten hätte, seinen Tag zu Hause zu strukturieren. Als Vater von zwei Kindern müsse er diese neben dem Homeoffice betreuen, wenn sie wegen der Pandemie nicht in die Schule gehen können. „Manchmal versuche ich alles gleichzeitig zu machen: Arbeiten, Essen kochen und mich um die Kinder kümmern. Am Ende merke ich, dass ich mir für alles nicht vernünftig Zeit genommen habe.“
Rückblickend auf die angesprochenen Probleme meint er, dass Eltern und Lehrer in dieser Zeit noch mehr Empathie für ihre Kinder und Schüler:innen entwickeln müssten. Lehrer:innen müssten erkennen, dass es in der aktuellen Situation nicht möglich ist, den Unterricht in der gewohnten Art und Weise mit dem gleichen Anspruch fortzuführen.

„Ist denn auch die Angst da, sich anzustecken?“, fragt Herr Klenner die Hardter Oberstufenschüler:innen. In der Antwort sind sich fast alle Schüler:innen einig. Sich selber anzustecken sei kaum beängstigend, vielmehr treibe sie die Sorge um, dass sie das Virus auf die Eltern oder Großeltern übertragen könnten.
Dementsprechend fallen auch die Meinungen zu den Schulöffnungen aus. Alle würden gerne wieder in die Schule gehen, befürchten aber, dass es einfach noch zu früh ist. Wenn da nicht die Abschlussklassen wären, die aus Angst vor ihren Abschlüssen die Situation nicht länger akzeptieren könnten.

„Was kann die Politik denn gegen die Benachteiligung der Coronajahrgänge machen?“ kommt die kritische Frage aus den Reihen der Schüler:innen.
„Es wird leider immer Nachteile geben. Die lassen sich nicht wegreden. Mir ist es wichtig, dass kein langfristiger Nachteil entsteht. Das wäre nicht gerecht“, antwortet Herr Klenner. Er sieht auch die Dringlichkeit, dass man jetzt die Abschluss- und Eingangsklassen, sowie auch benachteiligte Schüler:innen bei den Schulöffnungen priorisieren müsse. Momentan können nicht alle gleichzeitig in die Schule gelassen werden.
Er befürchte auch die immer größer werdende Gefahr, dass man sich privat in größeren Gruppen trifft, weil man es einfach nicht mehr aushält.
Am Ende spricht Herr Klenner die Digitalisierung der Schulen an, denn es wundere ihn schon, dass dieses Thema – wie zum Beispiel technische Probleme mit den Geräten – gar nicht von den Schülern:innen angesprochen würde. Und in der Tat scheinen die Jugendlichen derzeit mit anderen Problemen belastet zu sein als mit einem nicht funktionierenden Laptop oder Tablet.