OUT NOW, POLITIK

Was Katzenvideos und Wahlwerbung auf Tik Tok mit uns machen.

Wahlmanipulation oder Chance auf höhere Wahlbeteiligung?

Ein Kommentar von Lara Mund

Vielleicht kennt Ihr das: Einmal die TikTok-App geöffnet und man bleibt stundenlang bei Video-Clips hängen. Grund dafür ist ein Algorithmus, der die Videos auswählt und einen Clip nach dem anderen passgenau auf den eigenen Geschmack abspielt. Es ist wirklich schwer, dann noch bewusst den Abstellknopf zu drücken. Bei der Auswahl, die dem Nutzer geboten wird, sind die Hashtags der Videos entscheidend. Schon nach zwei Stunden ist der Algorithmus in der Lage, die perfekt aufs Interessensprofil zugeschnittenen Videos anzuzeigen.

Gerade während der Lockdowns in der Corona-Pandemie hat TikTok über 600 Milionen Menschen und besonders Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit geboten, dem Alltag zu entfliehen und in eine ereignisreiche Welt abzutauchen. Mittlerweile schafft es die Platform nicht nur User zum “binch watching” zu bringen, sondern auch täglich neue Menschen als Content Creator zu begeistern. Die Gefahr, sich in einer Vielzahl von 30 Sekunden Videos im „Autoplay“ zu verlieren ist sehr hoch.

Auch politische Parteien nutzen verstärkt diese Plattformen, um die junge Wählergruppe für ihre Partei zu begeistern. Hierbei ist die Gefahr der Manipulation groß, denn Fake News und schnelle Clips werden nicht großartig hinterfragt, weil sie keine Zeit lassen, die Seriosität der Informationen auf anderen Webseiten zu verifizieren. In dem Tempo der Nachrichtentaktung nehmen sich die Wenigsten Zeit, sich aktiv mit dem Wahrheitsgehalt auseinander zu setzen. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern ein Online-Wahlkampf fair und objektiv sein kann, wenn nur Parteien-Werbung gezeigt wird, die auf das persönliche Profil und die Vorlieben der Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten sind.

In seiner Sendung ZDF Royal hat Jan Bömermann die Methodik und Unseriösität der Parteienwerbung auf den sozialen Medien zum Thema gemacht (siehe Link unten). Auffallend ist hier auch der Auftritt der FDP, wie sie sich auf den sozialen Plattformen präsentiert. Dass sich hier besonders junge Menschen von der FDP angesprochen fühlen, lassen Umfragen im Rahmen der aktuellen Juniorwahl vermuten.

Die angesprochenen Jugendlichen setzen sich zwar aktiv für den Klimaschutz und für Gleichberechtigung ein, scheinen aber nicht zu hinterfragen, warum diese Partei es in den letzten Jahren nicht geschafft hat, diese Ziele auch umzusetzen, sondern dafür nur mit der Selbstregulierung des Marktes argumentiert. Oder scheinen die meisten der Befragten doch die eigene Freiheit und den persönlichen Erfolg dem Gemeinwohl und den damit verbundenen Einschränkungen vorzuziehen?

Die Interessen der jungen Wähler sind vielschichtig und individuell. Darauf zugeschnitten sind die Wahlwerbungen der Parteien, die sich dann auch mal in sehr widersprüchlichen Aussagen auf Anzeigenposts wiederfinden. So passt auch die FDP die Inhalte ihrer Social Media Anzeigen entsprechend der Hashtags und den individuellen Profilen der Userinnen und User an, um sie in ihrer Meinung und Wahlentscheidung zu bestärken.

Ein weiterer Punkt ist, dass TikTok vor allem von Kids und Jugendlichen genutzt wird. Diese ändern ihre Interessen aber noch weitaus häufiger als Erwachsene. Der Algorithmus kommt kaum mit der Entwicklung der Kids und Teenager mit und könnte sogar die Weiterentwicklung der Interessen behindern.

Der Algorithmus von Tik Tok wählt hauptsächlich personalisierte Inhalte aus und die sind nicht immer Mainstream wie Katzenvideos, sondern auch Nischenthemen. Hier besteht die Gefahr, dass die Nutzerinnen und Nutzer in eine bestimmte Blase gezogen werden, in der sich ihre Ansichten und Themen bestätigen und ihre Meinung verstärkt wird. Denn je mehr Videos jemand aus einem bestimmten Bereich ansieht, desto mehr bekommt er aus diesem Bereich angezeigt. Bei den beliebten Katzenvideos kann das noch harmlos sein, aber fatal wirkt es sich bei extremistischen Inhalten oder Verschwörungstheorien aus. TikTok ist nicht die einzige Plattform, die so funktioniert. Auch Facebook und YouTube werden dafür kritisiert, mit ihren Algorothmen Tendenzen zu verstärken. Doch TikTok hat das Ganze perfektioniert und ist daher noch gefährlicher in der Manipulation.

Der Appell lautet deswegen: Passt auf im Internet, informiert euch und bildet euch eine möglichst objektive Meinung. Hinterfragt eure eigenen Prioritäten und wägt sie mit dem Gemeinwohl und dem Anspruch an die Gesellschaft, in der ihr leben möchtet ab. Heutzutage ist es wichtiger denn je, ein Meinungsbild aus mehreren Blickwinkeln zu entwickeln und nicht nach Präferenzen von Freunden oder beeinflusst von personalisierter Werbung ein Urteil zu fällen.