Von Patrioten und Nationalisten

Der Versuch eines Gesprächs mit Vertretern der Anti-Maidan und Anti-Globalization Bewegung im „Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges“.

#standwithukraine – throwback moskau 2015

Ob Anti-Maidan, Anti-Globalization oder ‚Je suis Donbass‘, die offizielle Vertretung dieser Bewegung haben eines gemeinsam: einen Standpunkt, der für uns Europäer angesichts unserer Historie oftmals nur schwer nachvollziehbar ist. Nationalistische und patriotische Tendenzen scheinen in Russland aber eher  selbstverständlich zu sein. standpunkt traf am vorletzten Tag seiner Moskaureise die Vertreter der Anti-Maidan und Anti-Globalization Bewegung im „Zentralmuseum des Großen Vaterländischen Krieges“ und erlebte eine ganz andere „Geschichtsstunde“.

Das Gespräch wurde am 8. März 2015 in Moskau geführt.

Ernüchternd wirkt der sozialistisch anmutende Bau der 90er Jahre. Ein architektonisches Monstrum als Denkmal mitten auf einer riesigen künstlich angelegten Freifläche am Rande der Innenstadt installiert. Grau, massiv und bedrohlich. Auf dem unendlich lang erscheinenden Gang zum Eingangsportal säumen Stelen den Fußweg. Jede einzelne Säule trägt eine Skulptur, die stellvertretend für jede am 2. Weltkrieg beteiligte Sowjetbatallione und ihre „tapferen Kämpfer“ steht.

Warum wir gerade zu diesem Ort von den Vertretern dieser Vereinigungen bestellt wurden, wird uns schnell klar. Mit einer Führung durch das Kriegsmuseum werden wir mit der „wahren und unverfälschten“ Geschichte Russlands während des Zweiten Weltkrieges emotional auf unser Gespräch vorbereitet. Illustrierte und detailverliebte Wandmalereien versuchen, mit zusätzlicher Beschallung von Gewehrsalven, Fliegeralarm und Todesschreien das Leid der russischen Bevölkerung während der feindlichen Angriffe und Kämpfe hautnah erlebbar zu machen.

Ein audio-visueller Appell an die Vaterlandsliebe und -treue der Besucher. Bei der lebendigen und leidenschaftlichen Führung durch ein patriotisches „Erlebnismuseum“ vermissen wir konkrete Zahlen, Fakten und geschichtliche Dokumente. Vielmehr werden wir mit unzähligen heroischen Details des Kampfes, die allein dem Zweck dienen zu schockieren, konfrontiert. Heldenhafter Patriotismus und das erfahrene Leid im Kampf des sowjetischen Volkes gegen den Feind sollen hier immer allgegenwärtig bleiben. Fakten, eine chronologische Aufbereitung, Hintergrundinformationen, eingebunden in einen historischen Kontext fehlen gänzlich. Und am Ende erzeugt diese Art von polemisierender Geschichtsvermittlung bei uns eher Unverständnis, bei den russischen Schulklassen, die das Vaterländische Museum besuchen und dabei von einem Museumsführer in russischer Uniform begleitet werden, hingegen vielfach Begeisterung. Auf sie wartet am Ende der Führung im Museumsshop eine Kalaschnikow aus Kunststoff. Hier möchte man, so scheint es, die Grundlage für eine möglichst patriotische und nationalistische Einstellung schaffen und nicht so sehr Aufklärung betreiben, haben wir den Eindruck. Denn Aufklärung bedarf vertrauensvoller und objektiver Vermittlung von Informationen.

Um Russland zu verstehen, muss man auch seine Geschichte kennen. Mit dem Wissen, dass Russland in den vergangenen Jahrhunderten durch unverschuldete Kriege am meisten gelitten hat und in den Konsequenzen heute Ursachen für seine wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Benachteiligungen sieht, lässt sich vielleicht Russlands Einstellung gegenüber dem Westen besser nachvollziehen – ohne sie gleichzeitig gutheißen zu müssen.

Vor diesem Hintergrund blieb das anschliessende Gespräch mit den Vertretern des Anti-Maidan und der Anti-Globalisierung sehr an der Oberfläche. Emotionale Äusserungen, Mutmaßungen, Drohszenarien und einseitige Vorwürfe ließen eine einseitige Einstellung vermuten und schafften nicht die Grundlage für eine fruchtbare Diskussion. Insbesondere schockierend: Die nationalistischen und patriotischen Überzeugungen, die keinen Widerspruch zuließen.

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