Rohbau trifft auf Jazz-Ausnahme-Gruppe: diese spannende Kombi konnten wir am Samstag in der Baustelle der neuen Mönchengladbach-Arkaden „MINTO“ erleben. Die Gruppe Hotel Bossa Nova spielte lässige, entspannt-melancholische Töne in einer außergewöhnlichen Umgebung. standpunkt sprachen mit der Sängerin Liza über den Bewusstseinszustand Bossa Nova, Gebäude in denen man gute Musik machen kann und die Zukunft des Jazz.
Für alle, die nach 1993 geboren sind: wie erklärt sich der Name „Hotel Bossa Nova“?
Wir haben angefangen die berühmten Klassiker des Bossa Nova zu interpretieren. Es gibt den Song ‚The Girl from Ipanema‘, der wohl berühmteste Vertreter des Bossa-Nova-Genres. Der Bossa Nova entstand in den 60er Jahren in Rio de Janeiro. Soviel ich weiss, haben damals viele Leute Parties bei sich zu Hause gefeiert. Oft saß man dann zusammen mit einer Gitarre in der Hand und hat zusammen gesungen. Um die Nachbarn nicht zu stören, hat man die Lieder, die eigentlich laut und Sambamäßig gedacht waren, leise und langsam gespielt. So entstand der ‚langsame‘ Samba. Als dann die amerikanischen Jazzgrössen sich diesem Slow-Samba angenommen haben kamen die Jazz-Harmonien dazu. Bis heute ist der Bossa Nova sehr beliebt, er ist nicht zu jazzig, aber auch nicht so beliebig wie ein einfacher Pop-Song.
Welche Rolle spielt der Raum bei Euren Auftritten?
Ich möchte mich wohlfühlen. Mir ist wichtig, dass die Band gut im Raum klingt.Wir haben auch schon in Räumen mit vielen Glasflächen gespielt, aber leider klang die Band da nicht und wir mussten mit Überakustik kämpfen. Auch das Licht spielt eine große Rolle für mich. Wenn ich die Zuschauer sehen kann, muss ich mich sehr konzentrieren, dass ich nicht den Faden verliere. Viel lieber habe ich Bühnenlicht auf der Bühne und der Zuschauerraum liegt im Dunkeln und ich erahne die Menge der Zuschauer. Ich habe dann mehr das Gefühl von Intimität – unabhängig von der Zuschaueranzahl.
Also lieber Rohbau und alte Fabrik oder Club und Jazz-Bar?
Mir sind alle Spielstätten recht, solange eine gute Atmosphäre vorherrscht. Und die Beschallungstechnik auf den Raum abgestimmt ist. Es nutzt nichts, wenn man uns nicht gut hört.
Überall im Internet findet sich der Hinweis, dass Eure Sängerin indische und portugiesische Wurzeln hat. Welchen Einfluss hat das auf Eure Musik?
Die Songs und die Texte sind von mir. Ich möchte nicht behaupten die portugiesische und indische Musik sehr gut zu kennen, aber es fließen immer wieder Einflüsse mit ein. Ich lebe auch einen Teil des Jahres in Portugal und habe in letzter Zeit auch einige gute Musiker in Lissabon kennengelernt. Dennoch bin ich hier in Deutschland aufgewachsen und liebe den Jazz. Wir haben als Band in den letzten Jahren einen eigenständigen Bandsound kreiert. Unsere musikalischen Erfahrungen und Präferenzen fließen in unsere Kompositionen ein.
Es gibt Leute die sagen „Bossa Nova“ ist ein Bewusstseinszustand. Wie sieht der in eurer Interpretation aus?
Als Musiker bist Du im Bossa Nova nicht im Höher-Schneller-Weiter-Modus. Vielmehr hörst Du in Dich hinein und versuchst die Musik so leicht wie möglich erklingen zu lassen. Ich selber musste mich vom englischen Gesangstil, der mehr nach aussen gerichtet ist, verabschieden. Ich habe über die Jahre gelernt nach ‚innen‘ zu singen und leiser zu werden. Wir alle haben unseren Spiel-Stil für Hotel Bossa Nova verändert. Wir spielen viel bewusster.
Wie gut kennt ihr Euer Publikum? Gibt es den typischen „Hotel-Bossa-Nova-Hörer“?
Es gibt keine Altersbegrenzung. Zu uns kommen aufgeschlossene viel gereiste Menschen. Erstaunlicher Weise kommen weniger Portugiesen oder Brasilianer zu uns. Aber ich führe es darauf zurück, dass wir eher nicht den traditionellen Bossa Nova spielen, sondern uns in den Dienst des Jazz gestellt haben und mit unseren eigenen Kompositionen eher zeitgenössisch sind.
Wir sind von dem Konzert begeistert und wollen Euch besser kennenlernen: mit welcher CD beginnen wir die Entdeckungsreise?
Wir haben 4 Alben seit 2006 aufgenommen. Ich würde mit unserem letzen Album ‚Na Meia LUZ‘ beginnen – der aktuelle Stand der Dinge. Dann ‚Bossanomia‘ und ‚Supresa‘. Wer dann noch unsere Anfänge kennenlernen möchte, kann sich ‚AO VIVO‘ anhören, denn darauf interpretieren wir noch einige Bossa-Klassiker auf unsere Weise.
Eure Musik wirkt spontan und lässig: sogar auf den CDs und in Videos. Welche Rolle spielt Improvisation im Studio und bei den Aufnahmen?
Viel Platz zum ausgiebigen Improvisieren geben wir uns bei ganz bestimmten Stücken wie ‚Você‘ oder ‚Saudade‘. Viele Stücke sind aber durchkomponiert und da haben wir zwar alle einen gewissen Spielraum wie zum Beispiel im Gitarrensolo, aber der Song mit seinen Strophen und Refrains gibt uns den Takt vor. Am meisten feilen wir im Proberaum an den Songs. Die werden liebevoll arrangiert. Tilmann hat einen großen Einfluss auf die Harmonien, die er meisterhaft einzusetzen weiß. Wenn wir im Studio sind, können natürlich noch weitere Ideen dazukommen. Wir sind nicht zu 100% festgelegt.
In der klassischen Musik gibt es gefühlt 1000 Projekte, die es sich zum Ziel gemacht haben junge Menschen für Klassik zu begeistern. Gibt es ähnliche Probleme und Projekte beim Jazz auch?
Es werden jährlich viele Jazzmusik-Studenten zu Dozenten ausgebildet. Die haben die Aufgabe neue Talente auszubilden und junge Leute für den Jazz zu motivieren. Ich glaube Jazz war noch nie so beliebt wie heute.
Alexander Sonntag – Kontrabass
Tilmann Höhn – Gitarre
Wolfgang Stamm – Drums und Percussion